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Mit Philosophie. Die Gewinne des Hotels in der Albrechtstraße fließen bis heute in karitative Zwecke.

© Doris Spiekermann-Klaas

Übernachten für den guten Zweck: Das Hotel Albrechtshof wird 100

Wo sich Engel betten: Im Hotel Albrechtshof in der Albrechtstraße gehen die Gäste vor dem Frühstück in die hauseigene Kapelle. Die christliche Einrichtung feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen.

Früh kommt der Pfarrer ins Haus, viertel nach Acht beginnt die Morgenandacht, fünfzehn Minuten später verlassen die Gäste die wohnzimmergroße Kapelle mit dem Kreuz über dem kleinen Altar, gehen so, geistig gestärkt, zum Frühstücksbuffet. Wo gibt es sonst noch in Berlin ein Hotel, in dem man auf diese Weise Ruhe tankt und mit Gottes Segen den Tag beginnt? Im „Albrechtshof“ ist das guter Brauch, und überhaupt: Das Hotel in der Albrechtstraße zeichnet sich durch allerlei Besonderheiten aus. Es ist genau 100 Jahre alt, das Adlon ist zwar älter, aber das weiße Eckhaus in der Albrechtstraße 8, im Jahr 1910 von der Stadtmission als „Christliches Hospiz am Bahnhof Friedrichstraße“ eröffnet, ist das am längsten durchgehend betriebene Hotel in Berlin. Seine Gründung verdankte es wohlhabenden Unterstützern der Stadtmission. Nach deren Willen wird mit den erwirtschafteten Gewinnen des Hotels bis heute die missionarische und karitative Arbeit der Stadtmission mitfinanziert. Und hier meldet das Haus die Fast- Traumquote von 80 Prozent Auslastung der 99 modern ausgestatteten Zimmer mit 156 Betten.

Marketing-Leiterin Stephanie Lange bekennt freimütig, dass das im Hotelwesen mit seinem nachgerade unheimlichen Bauboom übliche Motto höher, schneller, besser „nicht unsere Philosophie“ ist. Stattdessen setzt man auf Tradition, Gastfreundschaft, Freundlichkeit, Individualität und Wohlgefühl – und auf eine Stammkundschaft, die ihre Sympathie für das christliche Familienhotel an Kinder und Kindeskinder zu vererben scheint. Landesbischof Markus Dröge erinnert daran, dass das Hospiz schon bald nach seiner Gründung als „Christliches Hotel 1. Ranges mit allen Bequemlichkeiten der Neuzeit“, wie es in einer Annonce heißt, zu den angesehenen Häusern in der Mitte Berlins gehörte. „Neben Geschäftsleuten wurde es vor allem von durchreisenden Familien und alleinreisenden Frauen aufgesucht“, sagt der Bischof. Nach dem Mauerbau war das kircheneigene Hotel nahe dem damaligen Grenzbahnhof Friedrichstraße ein Treffpunkt von Ost und West. Niemand wäre damals auf die Idee gekommen, untereinander abschätzig von Ossi oder Wessi zu reden: Familien und Freunde lagen sich hier in den Armen, feierten Hochzeit, Taufe, Konfirmation oder Klassentreffen, zehn Minuten vor Zwölf war dann stets der große Aufbruch Richtung Tränenpalast, denn bis Null Uhr mussten die Leute ausgereist sein – und kamen manchmal zehn Minuten später, am neuen Tag, wieder zurück.

Prominentester Gast war am 13. September 1964 der US-Bürgerrechtler Martin Luther King, Willy Brandt kam, als im November 1989 im Bankettsaal der Vorstand der neu gegründeten Sozialdemokratischen Partei der DDR tagte. Im Gästebuch stehen die Namen von Johannes Rau, Egon Bahr, von Kirchenleuten ebenso wie von „ganz normalen“ Gästen, die die Atmosphäre in diesem Haus mit seinem italienisch anmutenden, von Kletterpflanzen und Sträuchern gesäumten Restaurantinnenhof schätzen.

Auf die Frage, was denn außerdem noch Besonderes sei an diesem Hotel, verweist Stephanie Lange auf die Treue der eigenen Mitarbeiter. Als eine Bombe im Krieg einen Flügel weggerissen hatte, waren sie es, die alles enttrümmerten und dafür sorgten, dass der Betrieb weiterlief. Sie sind es auch, die dem Hause die Treue halten, so dass Herr Müller als Gast auch noch nach Jahren den vertrauten Herrn Krause an der Rezeption wiederfindet. Den Geist christlicher Nächstenliebe, das Wohltätige und Gemeinnützige spüren schon die Lehrlinge: Sie fahren im Winter im Kältebus mit, kümmern sich um Obdachlose. Der Albrechtshof ist eins von 60 Mitgliedern im Verband Christlicher Hoteliers (Vch).

Und da passiert es auch schon einmal, dass die Gastfreundschaft über das normale Maß hinaus praktiziert wird, dass sich Hotel und Gäste einig sind im Sinne des 13. Kapitels vom Hebräerbrief, wo es heißt: „Gastfrei sein vergesset nicht, denn dadurch haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“ Direktorin Dana Schmidt erzählt die Geschichte eines gut situierten Gastes, der an einem trüben Tag von einer Messe kam und an der Friedrichstraße um Mitternacht eine rumänische Familie sah, Mutter, Vater und zwei kleine Kinder, die dort herumirrten. „Es regnete stark und die Kinder husteten. Unser Gast sprach die Familie an, brachte sie zu uns ins Hotel und sagte dem Mitarbeiter an der Rezeption, dass er noch ein Zimmer benötigt, die Familie bräuchte eine Unterkunft und er würde das Zimmer bezahlen. Die neuen Gäste sahen nicht so aus, wie man sich unsere Gäste normalerweise vorstellt, aber die Familie wurde aufs Zimmer gebracht, wir haben Tee und Essen bereitgestellt, und am nächsten Morgen über die Stadtmission eine Notunterkunft und einen Arzt für die Kinder bestellt.“ Der Gast, der das alles bewerkstelligt hatte, kaufte für die Gestrandeten Kleidung und fürs Baby Windeln. „Er war einfach nur hilfsbereit, und es war schön zu sehen, wie sich Menschen engagieren“, sagt die Direktorin: In einer Nacht haben verschiedene Leute geholfen, ohne zu fragen, was es ihnen bringt, wer das zahlt, ob sie das überhaupt dürfen. Werte dieser Art zählen im Albrechtshof. Ob da nicht vielleicht wirklich ein Engel wohnt? Lothar Heinke

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