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Berlin: "Überwiegend Videos, Fotos, Druckerzeugnisse"

Was weiß die Berliner Polizei über den Kinderporno-Skandal in Holland , wie ermittelt sie selber und was stellt sie dabei fest? Werner van Bebber und Hans Toeppen sprachen mit dem amtierenden Leiter des Landeskriminalamtes in Berlin, Hans-Ulrich Voß über den Fall und auch über den Sprecher der belgischen Bürgerinitiative Morkhoven, Marcel Vervlosem.

Was weiß die Berliner Polizei über den Kinderporno-Skandal in Holland , wie ermittelt sie selber und was stellt sie dabei fest? Werner van Bebber und Hans Toeppen sprachen mit dem amtierenden Leiter des Landeskriminalamtes in Berlin, Hans-Ulrich Voß über den Fall und auch über den Sprecher der belgischen Bürgerinitiative Morkhoven, Marcel Vervlosem.Vor allem von diesem kommen immer wieder Hinweise und Angriffe auf die Polizei.

TAGESSPIEGEL: Was können Internet-Recherchen Ihnen bringen?

VOß:Kinderpornographie ermitteln heißt, in erster Linie den sexuellen Mißbrauch aufdecken, der dahinter steht, also die Tat bei der Anfertigung dieser Kinderpornographie.Und genau dort setzt das Problem auch schon ein.Wir müssen in erster Linie feststellen: Wer sind die Täter, wer sind die mißbrauchten Kinder und Jugendlichen? Erst in zweiter Linie: Wer vertreibt die Kinderpornographie? Und erst in dritter Linie: Wer nutzt und besitzt diese verbotene Form von Pornographie.Das Thema Internet ist nur ein Medium in diesem Zusammenhang.Wir haben auch heute noch ganz überwiegend, bei den Ermittlungen mit Videos, Fotos, Dias, Druckerzeugnissen, also anderen Medien zu tun.Dem entspricht also auch der Ausstattungsstand des zuständigen Berliner Kommissariats, das meines Wissens das einzige in Deutschland ist, das sich speziell mit Kinderpornographie beschäftigt.Unter einer Leiterin ermitteln dort zwölf Leute.

TAGESSPIEGEL: Die zentrale Internet-Ermittlung geschieht aber in Bayern.Wie verläuft denn diese Kooperation??

VOß: Bayern ermittelt nach Vereinbarung der deutschen Kripochefs für alle Länder anlaß- und verfahrensunabhängig.Wenn Bayern feststellt, daß solche strafbaren Bilder vorhanden sind und sie haben Berlin-Bezug, dann gibt Bayern diesen Fall an uns ab.Die ermitteln dann nicht selber und allein weiter.Das Material kann unterschiedlich sein.Das kann ein Berliner Kunde sein, das wäre die dritte und am wenigsten wichtige Ebene, das kann ein Provider, das kann aber auch ein Hersteller sein.

TAGESSPIEGEL: Und was haben Sie aus Holland erfahren?

VOß: Ich weiß nicht, was die Holländer im Augenblick aufgetan haben.Die Äußerungen in der Öffentlichkeit bis hin zu der des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers sind ja vor dem Hintergrund geschehen, daß dort eine Bande von Kinderschändern aktuell oder in der letzten Zeit Kinder mißbraucht habe, diese Bilder hergestellt und dann über das Internet vertrieben habe.Das wissen wir aber nicht.Jedenfalls wir in Berlin wissen es nicht zu Zeit.Wir haben immer wieder die Erfahrung gemacht, wenn wir mit solchen Kreisen zu tun hatten, daß diese Verbreiter nicht nur die Produktion, die sie selber hergestellt haben, sondern oftmals auch ganz andere Dinge, ältere Dinge, auch aus anderen Teilen der Welt, also alles mögliche, was sie zusammenkriegen konnten, angeboten haben.Das entspricht der Methode von Vertreibern und Produzenten von Kinderpornographie, daß sie ganz unterschiedliches Material zusammenstellen.Vervloesem ist schon vor längerem damit aufgefallen, daß er ständig neue Bildteile von bereits vorhandener Pornographie zusammengeschnitten und sie als neu den Medien angeboten hat.Warum er das getan hat, dazu kann ich mich nicht äußern..

TAGESSPIEGEL: Kennen Sie wenigstens die Berliner Kunden?

VOß: Der letzte Stand, und ich habe ihn vor zwei Stunden abgefragt, ist, daß wir noch nicht einmal die E.-Mail-Adressen bekommen haben, die Berlin-Bezug haben..

TAGESSPIEGEL: Warum nicht?

VOß: Wir haben sie sofort angefordert.Aber ich nehme an, in Holland sind sie noch mit der Sichtung beschäftigt, und sie wollen wahrscheinlich erst einmal selbst weitestgehend erforschen, welche Zusammenhänge bestehen.

TAGESSPIEGEL: Glauben Sie, hier viel bewegen zu können?

VOß: Keine Polizei der Welt kann es schaffen, das Pornographie-Angebot in dieser Gesellschaft in irgendeiner Weise zu beeinflussen.Das was mit der Nutzung bestimmter Pornographie zusammenhängt, ist auch im Sinne von "Bezug" strafbar, im Sinne von Anschauen "schweinischer Bilder", wie Generalstaatsanwalt Karge immer sagt, nicht strafbar.Diese Grenzfragen fließen ein in die Frage der Schuld.Für die kriminalpolizeilichen Ermittlungen sind sie weniger interessant.Ich kann die Leute nicht erziehen, so etwas nicht zu tun.Es gibt aber wiederum eine Kehrseite: Diese Leute schaffen den Markt.Das hat dann möglicherweise den Richter zu interessieren eben in der Frage der Schuld und der Frage der Strafzumesssung.

TAGESSPIEGEL: Wie sehen solche Strafen aus?

VOß: Das kann ich konkret nicht sagen.Meine Erfahrungen aus den 80er Jahren mit gedruckten Dingen und den Videos sind aber so, daß es kaum zu Strafen gekommen ist.

TAGESSPIEGEL: Der normale Konsument ist strafrechtlich also eine zu vernachlässigende Größe?

VOß: Wahrscheinlich, richtig.

HANS-ULRICH VOß ist amtierender Leiter des Berliner Landeskriminalamtes, seit dessen vorheriger Chef Dieter Schenk im Frühjahr in den Ruhestand getreten war.Mit Wirkung von Anfang August wird Voß formell an die Spitze des LKA treten und Landeskriminalpolizeidirektor werden.Der 51jährige Volljurist und gebürtige Berliner war 1975 als junger Kriminalrat in den Berliner Polizeidienst eingetreten.Vorher war er Universitätsassistent mit den Fachgebieten Rechtssoziologie und Kriminologie in Bielefeld und Berlin.Zu seinen Stationen gehörte natürlich die Polizeiführungsakademie Hiltrup, in der Berliner Praxis hatte er später vor allem mit "Delikten am Menschen" zu tun.Voß war auch im Stab des Polizeipräsidenten und beim Innensenator tätig.Im Landeskriminalamt leitete er unter anderem die Abteilung für Grundsatzfrage.

Kripo: Von holländischer Polizei sind keine Beweise für Kinderporno-Netz zu erwarten

Ermittler fahnden mit allen Möglichkeiten im Internet - Indizien für sexuellen Mißbrauch finden sie nicht nur dort

BERLIN (-pen/wvb).Die Berliner Kriminalpolizei hat keine Hinweise auf ein Netz von Kinderpornoproduzenten, das bis nach Berlin reicht.Hinter den E-Mail-Adressen, die der private Kinderporno-Verfolger Marcel Vervloesem herausgefunden haben will, stünden vermutlich Konsumenten, sagt der amtierende Leiters des Landeskriminalamtes, Hans-Ulrich Voß.Wichtiger als diese seien für die Ermittler aber diejenigen, die Kinderpornographie herstellen und Kinder dazu mißbrauchen.Voß nimmt an, daß Verfloesems Ermittlungsergebnisse solche Hinweise nicht enthalten.Dann nämlich würde sich die niederländische Polizei nicht tagelang Zeit mit der Weitergabe ihrer Erkenntnisse lassen, sagt Voß.

Voß wies gegenüber dem Tagesspiegel auf die personellen und technischen Möglichkeiten zur Ermittlung in Fällen von Kinderpornographie hin.Eine zwölfköpfige Abteilung sei mit allen technischen Mitteln ausgestattet, um den Abnehmern von Kinderpornographie auf die Spur zu kommen.Das Absuchen des Internets nach kinderpornographischen Angeboten und Vertriebswegen sei ohnehin Sache der bayrischen Kriminalpolizei.Darauf hätten sich die Landeskriminalämter mit dem Bundeskriminalamt 1997 geeinigt.

Wichtiger als die Betrachter von Pornobildern seien aus kriminalpolizeilicher Sicht die, die sie herstellen, sagte Voß.Das Betrachten kinderpornographischer Bilder ist nicht strafbar, wohl aber deren Besitz und die Herstellung.Nach den Erfahrungen der Kriminalpolizisten benutzen die meisten Kinderporno-Konsumenten die Kommuninkationswege des Internet lediglich, um zu tauschen, was sie haben.

Die Kripo-Ermittler können sich nur begrenzt mit dem befassen, was im Internet vor sich geht.Denn das Internet ist für die Benutzer von Kinderpornographie nur einer von vielen Vertriebswegen.Videos und Fotos würden auf herkömmlichen Wegen vertrieben, sagt Voß.Hinweise auf sexuellen Mißbrauch finden die Ermittler ebenso oft auf Videos oder Fotos, wenn sie einer Anzeige gegen Päderasten nachgehen.Da komme es vor, daß auf einen Schlag 150 Porno-Videos gefunden würden, sagt Voß.

Deren Auswertung müsse in einem vernünftigen Verhältnis zu möglichen Ergebnissen, zum Beispiel Hinweisen auf den Mißbraucher oder auf verschwundene Kinder, stehen.1044 Fälle sind der Kripo 1997 bekanntgeworden, gut 100 mehr als 1993.So schrecklich die Zahlen sind - statistisch gesehen gebe es "keine Entwicklung", sagt Voß.

Suspekt ist den Berliner Ermittlern der Privatdetektiv Marcel Vervloesem - der Mann, der die Behauptung vom Kinderpornonetz mit Berliner Verflechtungen aufgebracht hat.Von Vervloesem sei bekannt, daß er den Medien mehrfach pornographisches Material zukommen ließ, das er selbst aus vorher polizeibekannten Filmen zusammengeschnitten hatte, sagte Voß.Glaubwürdiger sei Vervloesem auch nicht geworden, als Berliner Kripobeamte mit ihm über den Fall des verschwundenen Manuel Schadwald sprachen.Hinterher habe sich ergeben, daß Vervloesem angebliche Hinweise auf Personen, die Schadwald gesehen haben wollten, falsch datiert habe.Aus diesen angeblichen Hinweisen sei eine "ungeheure Sensationsberichterstattung" voller widersprüchlicher Behauptungen geworden.Aufklärung habe das alles nicht gebracht.

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