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Sitzkunst. Die alten Sessel hat das Kino verschenkt, jetzt sind die neuen da.

© Thilo Rückeis

Umbau des Filmkunst 66: Mehr Platz für die Beine

Das traditionsreiche Charlottenburger Programmkino Filmkunst 66 wurde aufwändig umgebaut und renoviert. Neue Sitze gibt es nun, dafür sind es weniger geworden - für mehr Beinfreiheit.

Die Sessel gingen weg wie warme Semmeln. Am 4. November hatte das nach seinem Eröffnungsjahr benannte Kino Filmkunst 66 in der Charlottenburger Bleibtreustraße 12 die letzten Vorstellungen vor der Runderneuerung, und das Publikum war eingeladen, sich die nicht mehr benötigten Sitze gleich gratis mitzunehmen. Ein Riesenerfolg: Man hätte weit mehr Sessel loswerden können. Sogar größere Posten wurden mitgenommen. So lümmelt sich künftig das junge Publikum eines Kindertheaters im Harz in 60 alten Berliner Kinosesseln.

Sollte es in ferner Zukunft wieder solch eine Aktion geben, wären weniger Sessel zu ergattern. Das traditionsreiche Programmkino, dessen kürzlich erfolgte Wiedereröffnung am gestrigen Montag mit einem Empfang und der Vorführung von „The Sessions – Wenn Worte berühren“ als Überraschungsfilm gefeiert wurde, hat künftig weniger Sitze. Dafür sind sie bequemer und mit mehr Abstand zwischen den Reihen. Im oberen kleinen Saal sind es nun 50 sehr angenehme Ledersessel, früher hatten dort 100 Zuschauer Platz. Der untere Saal ist von 200 auf 156 Sitze geschrumpft, diesmal stoffbezogen, aber ebenfalls kuschelig. Auch Wandbespannungen und Teppichboden wurden erneuert, es dominieren Grau und Anthrazit, vom roten Vorhang mal abgesehen. Das Foyer wurde vergrößert, bietet nun mehr Raum bei Veranstaltungen wie etwa Premieren. Unverändert blieben Projektion und Tonanlage, die schon im vergangenen Jahr erneuert worden waren, nachdem die Filmproduzentin Regina Ziegler und ihre Tochter Tanja das Kino, jahrzehntelang betrieben von Franz Stadler, übernommen hatten.

Als das Kino für den Umbau geschlossen wurde, habe es viele aufgeregte Anfragen gegeben, ob jetzt Schluss sei, berichtet Kinoleiter Jasper Jacobs, der das treue Publikum aber beruhigen konnte. Die erste Resonanz auf das neue Filmkunst 66 sei sehr positiv. „Wir haben uns beim Erneuern für eine reduzierte, übersichtliche Ästhetik entschieden, ohne dabei den Komfort aus dem Auge zu verlieren. Vor allem natürlich beim Sitzen und Schauen“, beschreiben die beiden Zieglers den Wandel. Und sie haben „sehr darauf geachtet, dass man in den Räumen auch ,veranstalten’, also Kino plus X stattfinden kann. Die Größe – beziehungsweise die Kleinheit – provoziert ein solches Konzept geradezu.“ Es werde dort Screenings geben, Events um einen Film herum, vielleicht auch im Kontext der Berlinale. Vorige Woche habe die Deutsche Filmakademie im Filmkunst 66 ihre Jury-Vorführungen für den Deutschen Filmpreis veranstaltet. „Kino ist eben auch nicht mehr Kino pur.“ Und was die Chancen in der aktuellen Kinolandschaft betrifft: „Am Ende muss es nicht nur alles schön sein. Es muss sich auch rechnen. Wir denken, dass das der Fall sein wird. Aber wir haben uns auch auf Durststrecken eingerichtet.“ Das Filmkunst 66 sei nicht gerade das Paradestück für Investoren, die scharf auf Rendite sind. „Konto und Kunst sind keine natürlichen Geschwister.“

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