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Am Volksentscheid Tempelhofer Feld durften viele Menschen, die in Berlin leben, nicht teilnehmen.

© dpa

Umfrage der Piratenfraktion in Berlin: Mehrheit will Ausländerstimmrecht bei Volksentscheiden

Eine große Mehrheit der Berliner ist dafür, dass sich auch Ausländer an Volksentscheiden beteiligen dürfen. Das geht aus einer Forsa-Umfrage hervor, die die Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus in Auftrag gegeben hat. Für die liberale Regelung müsste das Grundgesetz geändert werden.

Eine große Mehrheit der Berliner ist dafür, dass Ausländer aller Nationalitäten, die dauerhaft in der Stadt leben, bei Volksentscheiden ihre Stimme abgeben dürfen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa hervor, die die Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus in Auftrag gegeben hat.

69 Prozent der Bürger plädierten für das Stimmrecht, 27 Prozent dagegen, 4 Prozent waren unentschieden. Besonders viele Befürworter gab es unter den Anhängern der Linkspartei (87 Prozent), besonders wenige unter CDU-Wählern. Auch diese aber sind mehrheitlich, nämlich zu 59 Prozent, für eine großzügige Regelung. Der Ostteil der Stadt ist etwas liberaler eingestellt als der Westteil, Frauen stimmten häufiger zu als Männer.

Fabio Reinhardt, flüchtlingspolitischer Sprecher der Piratenfraktion, sagt, nach dem Volksentscheid zum Tempelhofer Feld gehöre das Wahlrecht komplett auf den Prüfstand. Dabei müsse es nicht nur um neue Formen der direkten Beteiligung gehen, sondern auch um die Frage, wer von Abstimmungen ausgeschlossen sei. Beim Tempelhofer Feld habe das beinahe eine halbe Million Bürger betroffen, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht wahlberechtigt seien, obwohl sie seit Jahren oder Jahrzehnten in Berlin lebten. „Gerade von Fragen der Stadtentwicklung sind Menschen ohne Wahlrecht überproportional stark betroffen, beispielsweise weil sie durch steigende Mieten aus der Innenstadt verdrängt werden“, sagt Reinhardt. „Die Legitimität großer Stadtentwicklungsprojekte hängt aber von der Zustimmung aller Menschen ab, die hier leben – und nicht nur von der Zustimmung der Deutschen.“

Piraten wollen Wahlrecht für alle

Reinhardt fordert, die bestehenden Gesetze müssten an die gesellschaftliche Realität angepasst werden. Auch solle das Land Berlin sich auf Bundesebene für ein Wahlrecht für alle einsetzen. Leider aber würden dahingehende Ideen vom rot-schwarzen Senat blockiert. „Bei der Form der Bürgerbeteiligung, die der Senat jetzt etwa in Sachen Olympia anstrebt, sollen die Bürger nur abnicken, was von anderen geplant wurde. Da steckt kein Deut echter Einsicht drin“, sagt Reinhardt.

Der flüchtlingspolitische Sprecher der Berliner Piratenfraktion: Fabio Reinhardt.
Der flüchtlingspolitische Sprecher der Berliner Piratenfraktion: Fabio Reinhardt.

© promo

In Berlin leben etwas mehr als drei Millionen Deutsche und knapp eine halbe Million Ausländer. Die Landesverfassung legt fest, dass an einem Volksentscheid nur teilnehmen darf, wer auch das Abgeordnetenhaus mitwählen darf – also nur volljährige Deutsche. Das gilt auch für die Vorstufe eines Volksentscheids, das Volksbegehren. Lediglich bei der schwächsten Form der direkten Demokratie, der Volksinitiative, dürfen alle Einwohner Berlins teilnehmen, die mindestens 16 Jahre alt sind. Im Erfolgsfall muss das Landesparlament sich aber mit einem Thema lediglich befassen.

Bürgerbeteiligung bei Bewerbung für Olympia

Die Berliner Verfassung lässt sich zwar mit einer Zweidrittelmehrheit im Abgeordnetenhaus ändern. In Fragen der direkten Demokratie muss zusätzlich eine Mehrheit der Bürger in einer Volksabstimmung einer Neuregelung zustimmen. Nach Auskunft des Verfassungsrechtlers Christian Pestalozza ist es dennoch nicht möglich, Ausländer so bei Volksentscheiden ein Stimmrecht zu geben. Dem stehe nämlich das Grundgesetz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes entgegen. Pestalozza sagt, um die Forderung umzusetzen, müsste nicht nur die Berliner Landesverfassung, sondern auch das Grundgesetz geändert werden.

Ende Mai hatten die Berliner in einem Volksentscheid dafür votiert, das Tempelhofer Feld nicht zu bebauen. Dieses Ergebnis war eine große Niederlage für den Senat, der schon genaue Pläne für die Entwicklung des Feldes hatte. Nun steht zur Debatte, ob sich Berlin um die Austragung Olympischer Spiele bewerben soll. Der Senat hat angekündigt, die Bürger von Anfang an in die Entscheidungsfindung einbeziehen zu wollen. Ein konkretes Konzept dafür gibt es aber noch nicht, auch weil die Vorstellungen der Koalitionspartner sich deutlich unterscheiden. Die CDU setzt vor allem auf öffentliche Diskussionsforen, SPD-Fraktionschef Raed Saleh hatte hingegen im Tagesspiegel angeregt, die Bürger verbindlich abstimmen zu lassen.

Die komplette Umfrage zum Herunterladen finden Sie hier.

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