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Nach dem starken Rückschnitt treiben die Platanen schnell wieder aus. Ob sie dadurch auf lange Sicht eher gestärkt oder geschwächt werden, ist umstritten. Mit stadtweit 26 000 Exemplaren sind Platanen die vierthäufigste Baumart an Berlins Straßen.

© Kai-Uwe Heinrich

Umstrittene Baumpflege in Berlin: Der Kurfürstendamm soll schöner werden - mit der Motorsäge

Die Platanen am Ku'damm werden gestutzt – als Teil eines umstrittenes Modellprojekts. Die Kampagne des Senats für neue Straßenbäume kommt voran, aber das Ziel von 10 000 Neupflanzungen bis 2015 scheint fraglich.

In Berlin läuft gerade die Woche der Straßenbäume. Nicht offiziell, aber offensichtlich: Am Montag lud das Bezirksamt an den Kurfürstendamm, um bei Motorsägengebrumm über die Pflege von Berlins prominentesten Platanen zu informieren. Am Dienstag und am Mittwoch pflanzen die Staatssekretäre Christian Gaebler und Ephraim Gothe (beide SPD) Straßenbäume in Marienfelde und der Gropiusstadt. Und am Donnerstag wird der „Tag des Baumes“ begangen, der diesmal dem Erfinder der Nachhaltigkeit gewidmet ist: Vor 300 Jahren formulierte der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz erstmals die längst allgemein bekannte, aber allzu oft ignorierte Weisheit, dass für jeden gefällten Baum ein neuer gepflanzt werden soll.

Auch Hartmut Balder spannt einen großen Bogen, als er am Montagmorgen am Henriettenplatz am Bahnhof Halensee im Lärm der Sägen steht, die Äste von den halb hohen Platanen beiderseits des westlichen Ku’damm-Beginns trennen. „Heutzutage räumt der Gärtner im Tiergarten den Müll weg“, sagt Balder, ehemaliger Abteilungsleiter im Berliner Pflanzenschutzamt und jetzt Professor für Stadtgrün an der Beuth-Hochschule. „Früher saß der Gärtner neben dem König!“ Balder steht immerhin neben dem Stadtrat: Marc Schulte (SPD), der auch fürs Grünflächenamt von Charlottenburg-Wilmersdorf und damit für 44 000 Straßenbäume zuständig ist.

Seit 2006 betreiben Bezirk und Hochschule ein Pilotprojekt, um die aus Balders Sicht mit wenig Sachverstand gepflanzten Platanen am Boulevard so zu pflegen, dass Menschen und Bäume profitieren. Das zuvor völlig geschlossene Blätterdach hat laut Balder den Luftaustausch behindert, was die Feinstaubkonzentration erhöht und Pilzbefall der Bäume befördert habe. Auch seien die zwischen geparkten Autos und teilweise auf den Tunnel der U-Bahn eng gepflanzten Platanen eine typische West-Berliner Schnapsidee gewesen: auf den ersten Blick zwar schön, aber ohne Sachverstand. Solche einmal gemachten Fehler würden sich über Jahrzehnte mit hohen Pflegekosten rächen, sagt er. Insofern wären aus Balders Sicht neben BER und Stuttgart 21 auch die deutschen Straßenbäume ein Fall für die von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) initiierte Arbeitsgruppe zum professionelleren Management von Großprojekten.

„Weniger ist mehr“, lautet Balders Credo. So sehen auch die gestutzten Platanen aus, aber Balder versichert, sie würden rasch wieder üppig austreiben. Bis dahin allerdings muss der Stadtrat mit Beschwerden rechnen. Eine verärgerte Anwohnerin hat ihn bereits gestellt und fordert außerdem, mehr Flächen zu entsiegeln. Das sei am Ku’damm schwierig, sagt Schulte, stellt aber immerhin weitere Hochbeete in Aussicht. Eine Kollegin vom Grünflächenamt überschlägt, dass sie nur etwa 40 Euro pro Baum und Jahr zur Verfügung habe. Wenig Hoffnung auf große Geschäfte also für die ebenfalls anwesende Verkaufsberaterin des Düngerherstellers Compo, der das Pilotprojekt begleitet. Schulte bedauert, dass der Senat die Bezirke einerseits zwinge, das Budget für die Straßenunterhaltung komplett auszugeben, aber sich andererseits nicht dafür interessiere, wie die Grünflächenämter über die Runden kommen.

Die von Balder gepriesene Ku’damm-Pflegevariante ist unter Fachleuten umstritten. „Schnell und schmutzig“ nennt sie Christian Hönig, Forstwirt und Baumreferent des Umweltverbandes BUND. Die Bäume würden viel zu radikal geschnitten, entwickelten – zugegebenermaßen grüne – Nottriebe und müssten deshalb bald wieder gestutzt werden, was sie weiter schwäche. Hönig sieht Balder als Komplizen jener Bezirksämter, die Straßenbäume zwecks Kostensenkung auf Vorrat stutzen ließen. Dieser Trend sei zwar nicht gebrochen, aber das Bewusstsein für den Wert der knapp 440 000 Straßenbäume wachse.

Vor allem ist der jahrelange Schwund gebremst: Zum Start der Stadtbaum-Kampagne des Senats im Herbst wurden 800 Exemplare gepflanzt, aktuell sind laut Umweltverwaltung weitere 800 bestellt. Während Privatunternehmen bisher 90 000 Euro gespendet und weitere 100 000 in Aussicht gestellt hätten, seien die Bürger mit 24 000 Euro dabei. Der Senat verdoppelt die Spenden; für 1000 Euro gibt’s einen neuen Baum inklusive Pflege für die ersten drei Jahre. Um allerdings das im Koalitionsvertrag erklärte Ziel von 10 000 neuen Straßenbäumen bis zum Ende der Legislaturperiode zu erreichen, müssten in den nächsten Jahren deutlich mehr gepflanzt werden.

Mehr Informationen zur Kampagne gibt es unter: www.berlin.de/stadtbaum

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