zum Hauptinhalt

Umstrittene Bonuszahlungen: Razzia bei Ärztefunktionären

Der Streit um die Bonuszahlungen bei der Kassenärztlichen Vereinigung spitzt sich zu: Am Dienstag sind die Zentrale und die Privatwohnungen der KV-Chefs durchsucht worden.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) gerät unter immer stärkeren Druck. Erst hat jetzt ein verbindlicher Bescheid des Gesundheitssenators die KV erreicht, wonach der dreiköpfige Vorstand verpflichtet wird, erhaltene Bonusgelder zurückzuzahlen. Und am Dienstag sind nun erstmals Unterlagen beschlagnahmt worden. Dazu haben Beamte der Staatsanwaltschaft die KV-Zentrale in der Masurenallee durchsucht. Außerdem nahmen sie Papiere aus den Privatwohnungen der drei Vorstandsmitglieder mit. Hintergrund sind Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue, die Staatsanwaltschaft sichtet nun vor allem Unterlagen zu den Arbeitsverträgen der drei verdächtigten Mediziner, wie ein Justizsprecher bestätigte.

Der Verpflichtungsbescheid und die Durchsuchung haben formaljuristisch nichts miteinander zu tun – auch wenn sie wegen desselben Vorwurfs eingeleitet worden sind. Wie berichtet, erhielten die KV-Vorsitzende Angelika Prehn, ihr Vize Uwe Kraffel und das Vorstandsmitglied Burkhard Bratzke 2011 eine für die Wiederaufnahme der eigenen Praxisarbeit gedachte Übergangszahlung aus der KVKasse in Höhe eines Jahressalärs von je 183 000 Euro, obwohl sie weitere sechs Jahre im Amt zu bleiben beabsichtigten. Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU), der rechtlich über die KV wacht, besteht auf Rückzahlung der Prämien – obwohl die drei Ärztefunktionäre kürzlich das Geld „bis zur rechtlichen Klärung“ auf ein Treuhandkonto überwiesen hatten. Die Justiz ermittelt darüber hinaus wegen möglicher Untreue, also zu einem Straftatbestand.

Die KV-Spitze ist empört. „Wir haben der Staatsanwaltschaft angeboten, die Papiere einfach zu übersenden, die Razzia war völlig unnötig“, sagte Kraffel dem Tagesspiegel nach der Beschlagnahmung seiner Unterlagen. Der Einsatz sei wohl politisch motiviert gewesen. Auch aus Ärztekreisen war die Einschätzung zu hören, die Aktion sei überzogen gewesen, schließlich hätten sich die KV-Funktionäre „ihre Bereicherung ganz offen“ von den zuständigen Gremien absegnen lassen. „Der Vorstand glaubt sowieso, er sei im Recht, er habe keine Unterlagen zurückgehalten“, sagte ein Mediziner der 40-köpfigen Vertreterversammlung der KV, des sogenannten Ärzteparlaments. Die Mehrheit dieses Gremiums hatte 2011 die Arbeitsverträge zugunsten der drei Vorstände so ändern lassen, dass ihnen die 183 000Euro-Prämien ausgezahlt werden konnten. Begründet wurde dies damit, dass während der Amtszeit der drei KV-Chefs der frühere rot-rote Senat beschlossen hatte, dass sechs Monatsgehälter als Übergangsgeld reichen müssten. Diesen Abzug wollte man ausgleichen. Laut Senat ist das unzulässig.

Czajas Verwaltung hat die Kassenärzte aufgefordert, spätestens bis zu einer KV-Sitzung im April den Beschluss der Vertreterversammlung von 2011 aufzuheben und „die notwendigen Maßnahmen“ zur Rückzahlung einzuleiten. Inzwischen dürften nicht nur die Hausärzte, traditionell Kritiker des Vorstandes, sondern auch die Fachärzte in der Vertreterversammlung gegen die KV-Spitze votieren. Gesundheitsexperten der Parteien im Abgeordnetenhaus forderten schon vor Wochen einen Rücktritt des Vorstandes .

Laut Kraffel prüft man Rechtsmittel gegen den Senatsbeschluss. Für eine Klage des Vorstands bleibt eine Vier-Wochen-Frist. Er beruft sich auf Urteile, wonach für ihn ähnliche Regeln gelten wie für Politiker. Scheiden diese aus Ämtern, stehen ihnen Prämien zu, die sich nach der Amtszeit richten – Kürzungen der Übergangsgelder sind nicht zulässig. Der Senat wacht über die KV, die eine Organisation öffentlichen Rechts ist. Ihr müssen alle niedergelassenen Ärzte angehören, die gesetzlich Versicherte versorgen. Sie verteilt Krankenkassengelder als Honorare an 7000 Ärzte und 1600 Psychotherapeuten in Berlin. Die strittige Prämie wird aus einer Pauschale der Praxisärzte bezahlt. Hannes Heine

Zur Startseite