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Rauchverbot

© ddp

Umstrittenes Gesetz: Rauchverbot löst sich langsam auf

Der Qualm verzieht sich nicht: In den wenigsten Berliner Bars und Kneipen wird das Rauchverbot durchgesetzt. Der Grund ist die harte Konkurrenz.

Die Aschenbecher innen fortgeräumt, vor der Tür ein Zelt für die Raucher: Anfang des Jahres lief im „Café Solo“ an der Pariser Straße in Wilmersdorf noch alles vorbildlich im Sinne des Nichtraucherschutzgesetzes. Aber dann stellten dessen Inhaber fest, dass fast alle Bars und Kneipen ringsum das seit 1. Januar gültige Rauchverbot in der Gastronomie ignorierten. Bis zum Ende der Übergangsfrist am 1. Juli wollte sich kaum jemand daran halten, weil erst danach Bußgelder fällig werden. „Es blieb uns nichts anderes übrig, als bei Rauchern im Gastraum wieder wegzuschauen“, sagt Café-Solo-Wirt Peyman Weimann. „Sonst wären zu viele Gäste zur Konkurrenz abgewandert.“ Nun stehen die Ascher zwar nicht mehr auf den Tischen, werden aber auf Anfrage geholt.

Seit gut 100 Tagen gilt in Berlin das Rauchverbot – doch vor allem in Kneipen, Cafés und Bars, in denen mehr getrunken als gegessen wird, ist noch längst nicht Schluss mit dunstig. Nur die Restaurants sind inzwischen fast komplett rauchfrei, was deren Gäste weitaus mehr begrüßen als tadeln. „Deshalb gibt es in diesem Bereich auch kaum Umsatzrückgänge“, sagt der Vizechef des Berliner Hotel- und Gaststättenverbandes, Klaus-Dieter Richter.

Dicke Luft herrscht hingegen in der Bar- und Kneipenszene. Etliche Wirte klagen über existenzgefährdende Einnahmeausfälle. „Raucher brauchen die Zigarette in einer geselligen Kneipenrunde genauso zum Wohlfühlen wie die Molle oder ein Gläschen Wein“, sagt die Geschäftsführerin des Cafés Berio an der Schöneberger Maaßenstraße, Perdita Braatz. Viele ihrer Gäste brechen nach ihrer Beobachtung nun früher auf und bestellen entsprechend weniger – oder sie ziehen bleiben mit der geliebten Kippe gleich weg. „Es wird wieder mehr zuhause Skat gekloppt und geklönt.“ Um die Raucher und den Umsatz zu halten, lässt Perdita Braatz am Gehweg vor dem Café jeden Tag ein Raucherzelt auf- und abbauen. Ist das bei Wind und Regen nicht möglich, zählt sie allabendlich „800 bis 1000 Euro weniger Einnahmen.“

Die Initiatoren des Gesetzes, die rot-rote Koalition und deren Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke), lassen sich von solchen Klagen nicht beeindrucken. Man gibt sich optimistisch. „Erfahrungen mit den strikten Rauchverboten in Italien oder Irland zeigen, dass Raucher zwar anfangs tatsächlich weniger in die Kneipe gehen, aber bald wieder zurückkehren, weil sie ihren Platz am Tresen vermissen“, heißt es in der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses. Kritisch sieht man dort inzwischen nur die bußgeldfreie Übergangsfrist bis zum 1. Juli. Damit wollte die Koalition den Rauchern eine sanfte Eingewöhnung in die kippenfreie Gastronomie ermöglichen – bewirkt wurde eher das Gegenteil. „Die Raucherlobby nimmt das Gesetz nicht ernst, und die Gastronomen beäugen sich argwöhnisch“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Stefanie Winde. Kein Wirt traue sich, konsequent zu sein.

Die Gesundheitsverwaltung tröstet sich mit dem Blick nach vorne. „Ab Juli werden verqualmte Gasträume geahndet, es beginnen die Kontrollen“, sagt Sprecherin Marie-Luise Dittmar. Doch diese Kontrollgänge wird es voraussichtlich nicht allzu häufig geben. Denn bisher fehlen den meisten Bezirken dafür noch Mitarbeiter aus dem Stellenpool des Landes. Insgesamt 88 Überhangkräfte sollten berlinweit zusätzliche Aufgaben wie den Nichtraucherschutz übernehmen. Doch in Pankow und Tempelhof-Schöneberg zum Beispiel warten die Ordnungsämter bislang vergeblich auf je acht versprochene Helfer.

Außerdem sind die meisten Bezirke zurückhaltend. „Ich will keinen Feldzug starten“, sagt der zuständige Pankower Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne). Es könne zwar gelegentliche Schwerpunkteinsätze geben, in der Regel werde man aber nur auf die Einhaltung des Rauchverbots achten, „wenn unsere Streifen sowieso unterwegs sind“. Auch in Schöneberg soll es keine flächendeckenden Kontrollen geben. Man werde vorrangig auf Beschwerden reagieren, heißt es.

Solche Beschwerden erhalten die Ämter schon jetzt in recht großer Zahl. Offenbar ärgern sich immer mehr Nichtraucher über Tabakfreunde, die das Gesetz nicht kümmert. So gingen in Charlottenburg- Wilmersdorf seit Jahresbeginn 110 Beschwerden über Rauchbelästigungen ein, 23 Lokale wurden dabei mehrfach benannt. In Tempelhof-Schöneberg gab es 74 Beschwerden, in Pankow Klagen über rund siebzig Lokale. Zumeist versandten die Ämter Ermahnungsschreiben. Ob die Beschwerden zutreffen, wird derzeit noch kaum überprüft.

Nach dem 1. Juli aber müssen die betreffenden Lokale damit rechnen, dass sie besonders aufmerksam beobachtet werden. Das erste Bußgeld dürfte dann 100 Euro betragen, der Höchstsatz sind 1000 Euro.

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