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Berlin: Umstrittenes Ruhegehalt: 3000 Euro fürs Nichtstun

Ärger in Friedrichshain-Kreuzberg um frühere Bezirkschefin

Müssen die Kreuzberger und Friedrichshainer teuer dafür bezahlen, dass sie ihre ehemalige Bezirksbürgermeisterin Bärbel Grygier nicht als Direktkandidatin für die PDS in den Bundestag wählten? Dies befürchtet zumindest die SPD-Abgeordnete in der BVV, Sabine Grunwald. Denn für Grygier gilt, dass sie nun als auf fünf Jahre gewählte Beamtin Anspruch auf ein „Ruhegehalt in Höhe von 75 Prozent der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge“ bis zum Ablauf der Legislaturperiode am 30. Juni 2006 hat. Dies bestätigte die als Nachfolgerin gewählte Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS).

Die Regelung gilt ebenso für über 20 nach den Neuwahlen der Bezirksämter im Herbst 2001 nicht wieder gewählte Bezirksbürgermeister und Stadträte, die bis 2004 ein Ruhegehalt beziehen. Nur im Fall von Grygier fragen Grüne und SPD des Bezirks nach, da sie ihr den Drang in die Bundespolitik immer noch nicht verziehen haben.

Im November 2001 hatte die BVV Grygier auf fünf Jahre zur Bezirksbürgermeisterin gewählt, diese wechselte aber am 8. Februar 2002 als Nachrückerin für den zum Wirtschaftssenator aufgestiegenen Gregor Gysi in den Bundestag. Grygier ging davon aus, zumindest über die Landesliste auch nach den Wahlen am 22. September wieder in den Bundestag einziehen zu können. Doch nach dem Scheitern der PDS ist die 47-Jährige nun plötzlich arbeitslos. Nach Angaben der BVV-Fraktion von Bündnis 90/Grüne beträgt das Ruhegehalt „monatlich exakt 3362,57 Euro netto, brutto 4556,79 Euro. Gleichzeitig betont Grygiers Wahlkampfmanager, Michael Merkle, dass „sie sich als Beamtin auf Zeit aber auch nicht wie jeder andere einfach arbeitslos melden kann“. Aus den in Berlin und bundesweit geltenden Gesetzen und Privilegien für Beamte gebe es für den Einzelnen nur schwer einen Ausweg.

„Dies ist weder ein Problem einer Person oder gar einer Partei“, betont Barbara Seid von der PDS-Fraktion in der BVV. „Es gibt nun einmal Bundestarifgesetze, an die der Bezirk gebunden ist.“

Auch Marzahn-Hellersdorf zahlt, wie ein Mitarbeiter bestätigte, an „alle im Herbst 2001 nicht wieder gewählten Stadträte“ bis zum 30. Juni 2004 Ruhegehälter. In Pankow gilt dieses Gesetz für den im Herbst 2001 nicht wieder gewählten Bürgermeister Alex Lubawinski (SPD). Doch diesem sind die 75 Prozent Ruhegehalt nicht genug. Er verklagt mit den beiden Ex-Stadträten Ines Saager (CDU) und Horst Hartramph (CDU) das Land Berlin auf Zahlung der vollen Bezüge. Sie argumentieren, dass in den einschlägigen Gesetzen ein Passus fehle, der die Amtszeit von Bürgermeistern und Stadträten nach einer Neuwahl eindeutig beende.

Weil Vertreter aller Parteien betroffen sind, geht es dem Kreuzberger SPD-Mitglied Sabine Grunwald um „die grundsätzliche Frage, die Personen sind austauschbar“. Gemeinsam mit den Vertretern anderer Parteien aus der BVV will sie auf eine Änderung der Bundestarifgesetze drängen. Für sie ist es ein „Eigenrisiko, ob man gewählt wird oder nicht“. Und wenn „andere arbeitslos werden, bekommen sie ihr Gehalt auch nicht weiter“. „Wäre ich wirklich auf Geld scharf, wäre ich 1992 in meiner Psychologen-Gemeinschaftspraxis geblieben“, entgegnet Bärbel Grygier, „statt seit über zehn Jahren Kommunalpolitik zu machen.“ Für sie sind die Ruhegehälter „Demokratiekosten“, denn jeder Manager verdiene ganz andere Summen.

Zudem sei sie im Unterschied zu den Stadträten nicht Angestellte des Bezirks, sondern „Wahlbeamtin des Landes Berlin“. Pünktlich am 16. Oktober, dem Ende ihres Bundestagsmandats, hat Grygier sich bei der Senatskanzlei gemeldet und „ihre Arbeitskraft dem Land zur Verfügung gestellt“. Erst wenn ihr oberster Dienstherr Klaus Wowereit für die Beamtin keine gleich- oder höherwertige Arbeitsstelle hat und sie in den „einstweiligen Ruhestand“ versetzt, müsste der Bezirk das Ruhegehalt bezahlen. Dann werde sie sich nach 13 Jahren in der Kommunalpolitik endlich ihren Resturlaub nehmen, und „auf Cuba darüber nachdenken, was ich in den nächsten 20 Jahren machen werde.“

Christoph Villinger

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