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Berlin: Umwelt-Bibliothek – Symbol des Widerstands Vor 20 Jahren entstand in Ost-Berlin die „UB“

Sie war eine Börse für unterdrückte Informationen

„Eine Umwelt-Bibliothek müsste es heute auch geben“, sagt Frank Ebert. „Sie könnte helfen, die Leute mit dem Kopf auf allseits zugängliche Informationen zu stoßen.“ Die meisten würden sich mit Nachrichtenhappen zufriedengeben. Damals aber, als er zu den Aktivisten der Umwelt-Bibliothek an der Zionskirche in Prenzlauer Berg gehörte, waren Informationen unterdrückt. Die „UB“ half, sie ans Tageslicht zu bringen. In der Endphase der DDR war sie ein Zentrum der Bürgerbewegung. Vor 20 Jahren wurde das Symbol des Widerstands gegründet.

Der Name Umwelt-Bibliothek klingt harmlos, für die DDR-Regierung sollte die Arbeit der UB Sprengstoff und den Anfang vom Ende bedeuten. Was in Kellerräumen des Pfarrhauses an der Griebenowstraße 16 begann, war mutiges Aufbegehren. Hier kamen (meist) bärtige Oppositionelle zusammen, um Bücher und Schriften und Informationen zu sammeln, die in Ost-Berlin und in der DDR verboten oder nicht erhältlich waren. In der Bibliothek lagen sie aus. Hier wurden die monatlichen „Umweltblätter“ oder die Zeitschrift „Grenzfall“ gedruckt.

Viel war damals von „Samisdat“ die Rede, russischer Ausdruck für die Verbreitung nicht systemkonformer Literatur. Die UB verteilte Schriften von Rudolf Bahro oder Wolfgang Leonhard, ausführliche Schilderungen und Analysen von Umweltkatastrophen wie dem Super-GAU von Tschernobyl oder den Giftschäden in der Umgebung des Chemiekombinats Bitterfeld. Es ging den Aktivisten um Ökologie, vor allem aber um die bedrückende politische Umwelt, die sich für die Bürger in Ost-Berlin und der DDR als Käseglocke darstellte. Die UB bezeichnete sich als Informationsbörse für Wissen, das unterdrückt wurde. Sie entwickelte sich zum oppositionellen Mittelpunkt, von dem aus Fäden zu anderen Regimekritikern gezogen wurden. Sie sah sich als selbstorganisierte Bildungseinrichtung, als ein Ort, der kirchliche Strukturen für politische Themen öffnet. In Fragen von Menschenrechten, Friedens- und Umweltpolitik wollte sie das staatliche Informationsmonopol brechen, sagt Tom Sello von der Robert-Havemann-Gesellschaft.

Als die Stasi im November 1987 die UB bei der Aktion „Falle“ stürmte, waren die West-Medien Zeugen. Das internationale Echo zwang die Behörden, verhaftete Mitarbeiter wieder freizulassen. Die UB war seither noch bekannter, und ihre Beschäftigten fühlten sich sicherer. Vor acht Jahren ging es mit der Bibliothek zu Ende. „Sie war ein Symbol der Zeit, hat sich aber mit der deutschen Einheit überlebt“, sagt Frank Ebert. Die Keimzelle der DDR-Opposition, wie die UB oft bezeichnet wurde – das seien eher die Verhafteten der fünfziger Jahre gewesen.C. v. L.

Um die Umwelt-Bibliothek und Widerstand in der DDR geht es heute bei einer Podiumsdiskussion um 19 Uhr in der Zionskirche, Zionskirchplatz, Mitte.

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