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Berlin: Umweltverbände: Sie haben eine neue Finanzquelle entdeckt: Erbschaften - Sogar Silberbesteck geht als Nachlass an Mutter Natur

Greenpeace ist heute was für die ganze Familie. Da gibt es also die engagierten Jungen - 18, 19 Jahre alt -, die jungen Familien - so um die 30 -, die "Alten Hasen" - zwischen 35 und 40 - und die Älteren, die nun aus dem unruhigen Alltagsstreben herausfinden.

Greenpeace ist heute was für die ganze Familie. Da gibt es also die engagierten Jungen - 18, 19 Jahre alt -, die jungen Familien - so um die 30 -, die "Alten Hasen" - zwischen 35 und 40 - und die Älteren, die nun aus dem unruhigen Alltagsstreben herausfinden. Unter ihnen, den Rentnern, verzeichnet der Spendensammler von Greenpeace, Gerhard Wallmeyer, einen starken Mitglieder-Zuwachs. Rentner dächten viel über den Sinn des Lebens nach, erkennen dabei, dass ihnen nicht mehr viel Zeit bleibe.

Alte Menschen, bei Greenpeace als "50 plus" organisiert, neigten zur Radikalität, sagt Wallmeyer, auch, wenn es ans Vererben gehe. Wozu den Kindern - längst satt, versorgt im eigenen Haus und womöglich Taugenichtse - noch Aktien und Immobilien überlassen? Die Natur habe es wesentlich nötiger. Die Umweltverbände haben begonnen, den reichen Onkel Dagoberts ins Gewissen zu reden. "Nach mir keine Sintflut!", setzt Greenpeace in Zeitungsannoncen, verschickt auf Anfrage Auskünfte zu Erbrecht und gibt Tipps zum richtigen Aufsetzen des Testaments. Im vergangenen Jahr nahmen die Umweltaktivisten in Deutschland 1,3 Millionen Mark durch Erbschaften ein. Das sind nur zwei Prozent der Gesamteinnahmen, allerdings weist die Kurve nach oben. Nicht besonders reiche Leute bedenken Greenpeace, eher bedächtige Sparer. Das haben auch die Berliner Umweltverbände erkannt. Der BUND-Landesverband hat aufwendig gestaltete Mappen auf Lager, die durch geschmeidige PR-Rhetorik durchschimmern lassen, wer der klügere Erblasser ist. "Testamentsspender" können sich auch als "Freunde der Erde" verewigen lassen, zum Beispiel am "Baumkreuz" an der ehemaligen innerdeutschen Demarkationslinie in Thüringen.

Viele kinderlose Paare möchten ihr Vermögen nicht dem Staat überlassen, sagt Stefan Bundscherer, der Geschäftsführer des BUND Berlin. Vor ein paar Jahren erhielt der Umweltverband von einer älteren Frau Silberbesteck, das sie ihr ganzes Leben lang gesammelt hatte. Häufiger schlügen jedoch bis zu sechsstellige Geldbeträge zu Buche oder auch Grundstücke würden vermacht.

Ein oder zwei Legate erhält der Berliner BUND im Jahr. "In der Zukunft wird das ein wichtiger Einnahmefaktor sein", hofft Bundscherer. Zwar werde man nie offensiv auf Menschen zugehen, aber allzu große Zurückhaltung sei auch nicht empfehlenswert: "Wir sind da befangener als die Menschen selbst." Das hat auch Stefan Richter von der Grünen Liga festgestellt.

Der 1990 aus der DDR-Umweltbewegung entstandene Dachverband hat die Einnahmequelle Erbschaft gerade erst für sich entdeckt. "Die West-Verbände sind im Vorteil, auch wegen der größeren Vermögen." Ungefähr 300 Milliarden Mark werden in Deutschland jedes Jahr an die nächste Generation weitergereicht - oder auch an Stiftungen und gemeinnützige Organisationen, wobei die Erbschaftssteuer wegfällt.

Traditionell Begünstigte dieses beträchtlichen Vermögenswechsels sind die Tierschutzvereine. Der Berliner Verein, Betreiber des Tierheims Lankwitz, bestreitet seit Jahren rund 50 Prozent seines Acht-Millionen-Mark-Budgets aus Nachlässen. Zwei bis fünf Legate sind es im Monat - manchmal bis zu einer Million Mark. Das meiste Geld kommt unverhofft - viele Spender verlieren vorher kein Sterbenswörtchen über ihre gute Absicht. Tierschutzverein-Geschäftsführer Volker Wenk wäre es lieber, wenn die Leute sich vorher von ihm beraten ließen; denn falsch aufgesetzte Testamente ziehen oft langjährige Streitigkeiten mit den gesetzlichen Erben nach sich. Alte Leute seien oft ahnungslos über die Höhe ihres Vermögens oder weigerten sich, ein Testament aufzusetzen - in der tiefsitzenden Befürchtung: Schreibe ich das, bin ich bald tot.

Das Land Berlin profitiert von dieser Angst. 1998 fielen bei 1040 Erbfällen 10,5 Millionen Mark an den Fiskus, weil kein Testament vorlag und keine gesetzlichen Erben ausfindig gemacht werden konnten.

Nicht jede Erbschaft bringt Geld ein. Manchmal kosten die Auflösung des Hausstands, Renovierung der Mietwohnung und die Beerdigung mehr als hinterlassen wurde. Dann können die Erben das Testament ausschlagen. Doch vorher sollte jeder Sparstrumpf umgekrempelt werden. Wenk kann sich an den Fall einer alten Dame erinnern, die das Tierheim als Alleinerben eingesetzt hatte. Nach Besichtigung der großen Wohnung wollte er das Erbe schon ausschlagen. Später stellte sich heraus, dass die Frau einen regen Aktienhandel betrieben und etwa 1,5 Millionen Mark zusammenspekuliert hatte - zugunsten der Kreatur.

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