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Wohnstadt

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Unesco: Berliner Sozialsiedlungen kandidieren für Welterbestatus

Am Sonntag entscheidet das Welterbekomitee der Unesco über knapp 40 Welterbeanträge und fünf Erweiterungen. Mit dabei: Berliner Sozialsiedlungen, die zwischen 1924 und 1933 gebaut wurden. Doch der Streit um die Dresdner Waldschlößchenbrücke könnte der Bewerbung schaden.

Im kanadischen Quebec richtet sich während der Tagung des Unesco-Welterbekomitees am Wochenende die Aufmerksamkeit besonders auf Deutschland. Während für Dresden wegen des Baus der Waldschlößchenbrücke die Aberkennung des erst 2004 erworbenen Titels für das Elbtal auf dem Spiel steht, bewirbt sich Berlin um die Aufnahme von sechs Sozialsiedlungen aus den 20er Jahren in die Liste der besonders schützenswerten Kulturgüter.

Dieter Offenhäußer, stellvertretender Generalsekretär der Deutschen Unesco-Kommission, ist zuversichtlich: "Die Berliner Siedlungen erfüllen alle Kriterien. Vor allem sind sie authentisch", sagt er. Auch Landeskonservator Jörg Haspel gibt sich optimistisch. Das Paket habe Profil und sei in sich schlüssig. Er und seine Mitstreiter hätten das Thema Erbe des sozialen Wohnungsbaus übrigens als erste auf die Welterbe-Tagesordnung gebracht, sagt er. Insgesamt gibt es in Berlin 150 schutzwürdige Siedlungen.

"Enge", "Unzucht" und "ungesundes Elend"

Nominiert für das Welterbe sind die Tuschkastensiedlung Falkenberg, die Wohnstadt Carl Legien in Prenzlauer Berg, die Ringsiedlung in Siemensstadt, die Hufeisensiedlung Britz, die Siedlung Schillerpark im Wedding und in ihrer Nachbarschaft die Weiße Stadt. Sie alle entstanden zwischen 1924 und 1933 und haben Balkon, keinen Hinterhof, Durchlüftung, innen liegendes Bad - Räume, die genau auf eine definierte Nutzung zugeschnitten sind. So waren die kleinen, funktionalen Küchen, das Bad in jeder Wohnung und die Einrichtung zentraler Waschküchen in den neuen Wohnanlagen nicht nur praktisch: Die Trennung der Funktionen war hygienisch.

In den überkommenen Mietskasernen stand oft auch das Bett für den Untermieter in der Wohnküche. Nicht selten hauste eine Familie mit Verwandten und Untermietern unter schlimmen Umständen in einem Raum. "Enge", "Unzucht" und "ungesundes Elend" sind Worte, die sich immer wieder in Berichten zur Lage in Berliner Mietskasernen zum Ende des 19. Jahrhunderts fanden. Die Vertreter des "Neuen Bauens" zogen Konsequenzen aus der Erkenntnis, dass Architektur auch im Wohnungsbau politisch und erzieherisch wirkt und daher Wohnungen für die Mittel- und die Unterschicht vorzugsweise eine öffentliche oder genossenschaftliche Bauaufgabe zu sein hätten.

"Dresden schadet Berlin"

Dass diese Wohnblöcke innen nach sozialen und hygienischen Gesichtspunkten geradezu revolutionär neuartig organisiert waren, demonstrierten ihre Erbauer durch einen ebenfalls völlig neuen, schlichten Stil. Ihre Ästhetik und die Grundregeln, nach denen sie Erlebnis- und Funktionsräume organisierten, gelten bis heute als beispielhaft. Landeskonservator Haspel und Unesco-Mann Offenhäußer haben jedoch trotzdem Bedenken. Sie befürchten, dass die Berliner Bewerbung unter dem Streit um die Dresdner Waldschlößchenbrücke leiden könnte. Haspel: "Dresden hat es geschafft, diesen Konflikt auf einmalige Weise zu eskalieren." Die Dresdner Haltung nennt er "halsstarrig". Offenhäußer berichtet davon, dass ihn Dresdner Brückenfans sogar beschimpft hätten. Fazit beider: "Dresden schadet Berlin."

Ungeachtet dieser Querelen spricht einiges für die Berliner, deren Antrag am Sonntag auf der Tagesordnung in Quebec steht. "Die Siedlungen hatten einen baukünstlerischen Anspruch und waren zugleich soziales Programm", sagt Armin Hentschel vom Potsdamer Institut für Stadt- und Sozialentwicklung. Es habe weltweite Vorbildwirkung gehabt. Laut Offenhäußer gibt es bei der Unesco ohnehin genau hier ein Defizit: Die Klassische Moderne sei eine im Katalog der Welterbestätten "unterrepräsentierte Kategorie". (ck/ddp)

Torsten Hilscher[ddp]

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