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Spuren des Unglücks. Die gelben Markierungen zeigen, wo der Opel schlingerte. Ein aus Marzahn herbeigeholter Feuerwehrkran barg das Auto aus der Dahme.

© dpa

Unfall an der Dahme in Berlin-Köpenick: Nichts hielt die Katastrophe auf

Der Unfall an der Langen Brücke hat ein zweites Opfer gefordert. Die Senatsverwaltung prüft, ob sie die Unglücksstelle nun doch besser sichert. Der Bezirk wollte die Behelfsbrücke längst los sein.

Zwei Tage nach dem Sturz eines Autos in die Dahme ist am Donnerstag auch der 18-jährige Fahrer gestorben. Mit gleich zwei Toten – die 20-jährige Beifahrerin starb am Mittwoch – gehört der Unfall zu den schwersten der vergangenen Jahre in Berlin. Umso mehr drängt sich die Frage auf, ob er so katastrophal enden musste. Das fragt sich auch die für alle Brücken zuständige Stadtentwicklungsverwaltung: Nach Auskunft einer Sprecherin soll nun geprüft werden, ob die nur auf der Brücke vorhandene Leitplanke zur Rampe mit Stahltauen verlängert wird.

Während die Polizei angesichts der laufenden Ermittlungen jede Auskunft zum Unfallhergang ablehnt, ist für den Verkehrssicherheitsexperten Siegfried Brockmann klar, dass die Unfallstelle nicht den gültigen Vorschriften entspricht. Brockmann, der die Unfallforschung der Versicherer leitet und dem Vorstand des Deutschen Verkehrssicherheitsrates angehört, verweist auf die „Richtlinie für passive Schutzeinrichtungen“. Der zufolge müssen Schutzeinrichtungen an Brücken so lang sein, „dass ein Absturz möglichst verhindert wird.“ Das bedeute, dass der Schutz „über die Brückenenden hinaus fortgeführt werden muss“. Das ist an der Behelfskonstruktion nicht der Fall. Die Stadtentwicklungsverwaltung betont dagegen, die Richtlinie sei neuer als die Brücke, weshalb Bestandsschutz gelte. „Rechtlich ist das alles völlig korrekt.“ Zudem sei die Stelle bisher kein Unfallschwerpunkt – was die Polizei auf Nachfrage bestätigte.

„Gruselig“ findet Brockmann die Konstruktion

Die 1892 errichtete Lange Brücke in Köpenick wurde vor ihrer Sanierung vor 19 Jahren um zwei stählerne Behelfsbrücken ergänzt. Der stadteinwärtige Verkehr fließt über eine Rechts-Links-Verschwenkung auf die äußere Behelfsbrücke. In dieser von Straßenbahnschienen durchzogenen Doppelkurve war der Opel ins Schleudern gekommen, über den nur wenige Zentimeter hohen Bordstein auf den Gehweg geraten und weiter über die abfallende Grasböschung gerutscht.

Vom relativ filigranen Geländer ungehindert stürzte er in den etwa acht Meter darunter gelegenen Fluss. Der ist an dieser Stelle etwa drei Meter tief – und wesentlich breiter als die eigentliche Brücke: Die Rampe steht auf Stahlpfählen im Wasser.

Für zwei Insassen kam die Rettung zu spät.
Für zwei Insassen kam die Rettung zu spät.

© dpa/schroeder

„Gruselig“ findet Brockmann die Konstruktion. Angesichts der direkt angrenzenden Kante zum Wasser „hätte man auch ohne die Richtlinie darauf kommen können, dass man die Sicherung von der Brücke noch weiter herunterziehen muss“ – zumal eine Verschwenkung von vornherein das Risiko erhöhe, dass ein Auto von der Straße abkommt. „Aus unserer Sicht ist da definitiv etwas nicht in Ordnung“, resümiert Brockmann. Zugleich betont er, dass der Unfall so nicht passiert wäre, wenn der Fahrer das vorgeschriebene Tempo 30 beachtet hätte.

Schon 2007 war der Rückbau der Behelfsbrücken avisiert

Das Bezirksamt sieht die chronisch reparatur- und lärmanfälligen Behelfsbrücken längst selbst als Problem: Ihr Rückbau sei „aus städtebaulichen und verkehrlichen Gründen ganz eindeutiges Planungsziel und auch Bestandteil aller weiteren Überlegungen“, sagte der Treptow-Köpenicker Baustadtrat Rainer Hölmer (SPD) dem Tagesspiegel. Allerdings habe die für Brücken zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dem Bezirk wegen der Fülle der Problembrücken „mehrfach, auch auf Nachfrage“ signalisiert, dass sich erst nach 2016 etwas tun werde. Dabei sei der Rückbau der Behelfsbrücken „ursprünglich mit Fertigstellung der Tangentialen Verbindung Ost bis zum Glienicker Weg“ avisiert gewesen. Das war 2007.

Die beiden anderen Passagiere des Opels – eine 18-Jährige und ein 20-Jähriger – befanden sich am Donnerstag laut Polizei noch im Krankenhaus, sind aber außer Lebensgefahr. Sie hatten sich von den Rücksitzen selbst befreien können. Dagegen konnten Fahrer und Beifahrerin erst nach mehr als einer halben Stunde von Feuerwehrtauchern aus dem im drei Grad kalten Fluss liegenden Auto befreit werden. Notärzte hatten sie zunächst wiederbeleben können und die Chance gesehen, die jungen Leute zu retten.

Für die Tauchrettung mussten jedoch die Kollegen aus Charlottenburg kommen

Dass im gewässerreichen Köpenick keine Rettungstaucher stationiert sind, hat zumindest nicht direkt mit den Sparzwängen zu tun, unter denen die Berliner Feuerwehr steht. Nach Auskunft von Behördensprecher Stephan Fleischer gab es lediglich bis 1992 in Marzahn ein zweites Team der früheren Ost-Berliner Feuerwehr. Jetzt sind rund um die Uhr jeweils vier Rettungstaucher beim Technischen Dienst am Nikolaus-Groß-Weg in Charlottenburg-Nord verfügbar. Es sind Feuerwehrleute mit zusätzlicher Qualifikation, wie es sie nur bei großen Berufsfeuerwehren gibt. In Hamburg sind ebenfalls je vier Rettungstaucher im Dienst.

In Berlin sind nach Auskunft von Fleischer alle Feuerwehrleute ausgebildete Rettungsschwimmer. Jede Wache verfüge über ein Schlauchboot. Die Wache in Köpenick, die sich nur 700 Meter vom Unglücksort entfernt auf einem Wassergrundstück befindet, habe zusätzlich ein Mehrzweckboot aus Aluminium, das auch eingesetzt worden sei. Für die Tauchrettung mussten jedoch die Kollegen aus Charlottenburg kommen. Laut Einsatzprotokoll der Feuerwehr wurden sie um 0.54 Uhr alarmiert und trafen mit ihrem schweren Geräte-Lastwagen 29 Minuten später an der Langen Brücke ein – nach einer 30 Kilometer langen Fahrt.

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