zum Hauptinhalt
Update

Unfall in Tegel: Entgleiste S-Bahn: Passagiere hatten großes Glück im Unglück

Am Dienstag entgleiste in Berlin eine S-Bahn. Sie fuhr sehr langsam, weil in der Nähe der Unglücksstelle eine Schranke ausgefallen war. Diesem Umstand haben Passagiere möglicherweise ihr Leben zu verdanken.

Verkehrssenator Michael Müller hat sich im Abgeordnetenhaus zum S-Bahn-Unfall am Dienstag geäußert. Ihm zufolge „hätte der Unfall schwerwiegendere Folgen gehabt, wenn der Zug schneller gefahren wäre. Dass es nur leicht Verletzte gab, war Glück im Unglück“, sagte der Senator. In der Tat hätte es unter anderen Umständen bei dem Unglück Tote und Verletzte geben können. Kurz vor der Unfallstelle nämlich gibt es eine Schranke für Autos und Fußgänger, die in der Nacht zuvor durch einen Blitzeinschlag beschädigt worden und deshalb außer Betrieb war. Autoverkehr gibt es in diesem Bereich aufgrund von Straßenarbeiten im Moment ohnehin nicht, Fußgänger aber können dort die Schienen passieren. Die Schranke wurde deshalb von Hand durch einen Mitarbeiter gesichert, als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme fuhren die S-Bahn-Züge an der späteren Unfallstelle sehr langsam - und nicht, wie es sonst der Fall gewesen wäre, mit rund 80 Stundenkilometern.

Diesem glücklichen Umstand haben unter Umständen Passagiere ihr Leben zu verdanken. Ob es bei einem höheren Tempo Schwerverletzte oder Tote gegeben hätte, kann niemand wissen - dies ist aber durchaus möglich. Nach dem Blitzeinschlag war vorübergehend auch die S-Bahnstrecke gesperrt und die S-Bahn nahm Sicherheitsprüfungen vor. Dann nahm man den Betrieb wieder auf - und kurze Zeit später entgleiste der Zug. Bei der S-Bahn heißt es nun, alle erforderlichen Sicherheitsprüfungen seien vorgenommen worden. Die Unglücksursache ist noch unklar. Denkbar ist unter anderem, dass der Blitzeinschlag auch die Weiche beschädigte oder dass die Weiche nach dem Blitzeinschlag zwar funktionierte, aber von Hand bedient werden musste und es dabei zu menschlichem Versagen kam. Denkbar wäre aber auch, dass es eine völlig andere Ursache für das Unglück gibt.

Senator Müller sagte am Mittwoch: „Ob technisches oder menschliches Versagen Ursache des Unfalls waren, muss noch untersucht werden. Es hatte einen Blitzeinschlag in der Nacht vor dem Unglück gegeben. Und höchstwahrscheinlich wurde von dem technischen Betrieb die Weichenstellung umgestellt (von Automatik) auf Handbetrieb.“ Das müsse aber noch untersucht werden. Auch nach Tagesspiegel-Informationen war "Handbetrieb" beim Weichenstellen erforderlich. Für Müller aber zumindest fest, dass es „wohl nicht irgendeine Form von schlechter Wartung oder Materialermüdung war“, die zum Unfall führte. Ein Untersuchungsergebnis der Bundespolizei zur Unglücksursache steht noch aus.

Sehen Sie hier Bilder des Geschehens:

Stefan Gelbhaar, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, forderte am Mittwoch Aufklärung.

Insbesondere sei zu klären, wie es zu dem Defekt an der Weiche kam. "Weitere Fragen die der Vorfall aufwirft sind: Wie kam es zu der Weichenfehlstellung? Ist eine Minderleistung bei der Wartung der Weiche als einem typischen Verschleißteil ausgeschlossen? Löste das Unwetter der Vornacht einen Schaden an der Weiche aus? Was wurde genau repariert?", sagte Gelbhaar.

Ein Wassereinbruch behindert die Aufräumarbeiten

Einen Tag nachdem nahe des Bahnhofs Tegel eine S-Bahn entgleiste, sind unterdessen die Aufräumarbeiten in vollem Gange. In der Nacht wurde ein Teil eines entgleisten Viertelzugs mithilfe eines Eisenbahnkrans wieder auf die Schiene gesetzt, am Mittwoch kam zudem ein Hilfsgerätezug zum Einsatz, um den übrigen Teil ebenfalls wieder in die Schiene zu setzen. Nach wie vor besteht ein Schienenersatzverkehr zwischen Schönholz und Hennigsdorf, 16 Busse fahren Passagiere hin und her. Die Linie S 25 kann voraussichtlich am Wochenende wieder ihren gewohnten Betrieb aufnehmen. Ziel sei es, dass die komplette Strecke bis nach Hennigsdorf ab Samstagmittag wieder befahrbar sei, sagte S-Bahn-Sprecher Peter Buchner am Mittwoch an der Unglücksstelle. Bereits am Donnerstag werde die S-Bahn ab Betriebsbeginn wieder regulär zwischen Schönholz und Tegel fahren.

Erschwert werden die Aufräumarbeiten dadurch, dass es während des schweren Unwetters in der Nacht zu Mittwoch einen Wassereinbruch im Stellwerk Tegel gab. Die Weichen dort lassen sich nun nur noch per Hand stellen. Im Moment rechnet die S-Bahn damit, dass sich die Aufräumarbeiten noch einige Tage hinziehen werden.

Unterdessen hat sich am Mittwochmorgen im Radioeins des RBB ein Experte zur möglichen Unfallursache geäußert. Markus Hecht, Leiter des Fachgebietes Schienenverkehr an der Technischen Universität zu Berlin, sagte, eine mögliche Ursache sei der schlechte Zustand der Weiche, die den Zug entgleisen ließ. „Wie das passieren konnte ist schleierhaft. Solche Weichen sind üblicherweise verschlossen. Die muss schon in einem ganz, ganz schlechtem Zustand gewesen sein, dass der Verschluss nicht gewirkt hat“, sagte er. Hecht erklärte, dass der Zug entgleiste, weil sich eine stillgelegte Weiche umgestellt habe, als die Bahn über sie fuhr. Diese Weiche sei nicht an das Stellwerk angeschlossen gewesen.

Sehen Sie hier ein Video vom Ort des Unglücks:

Dem widerspricht die S-Bahn scharf. "Ich weise das entschieden zurück", sagte ein Sprecher am Mittwoch. Die Weiche sei angeschlossen und ständig in Gebrauch gewesen, die Aussage Hechts sei falsch.

In der Tat hat die S-Bahn in dieser Frage Recht: Die Weiche, die das Unglück verursachte, war voll in Gebrauch und wurde bei jeder Fahrt gestellt.

(Tsp, dapd, dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false