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Kurzer Moment, schreckliche Folgen. Wo der Radfahrer und der Kitesurfer aufeinandertrafen, stehen nun Kerzen.

© Doris Spiekermann-Klaas

Unfall zwischen Radfahrer und Kitesurfer: Tödliche Freiheit auf dem Tempelhofer Feld

Nach dem tödlichen Unfall auf dem Tempelhofer Feld denken Verkehrspolitiker und Besucher über Konsequenzen nach – und es gibt schon erste Ideen für mehr Sicherheit.

Der schwere Unfall auf dem Tempelhofer Feld vom Wochenende hat ein tragisches Ende genommen. Am Sonnabend war ein 64-jähriger Radfahrer vom abstürzenden Schirm eines Kitesurfers getroffen worden – nun teilte die Polizei mit, dass der Mann bereits am Dienstagmittag in einem Krankenhaus an seinen lebensgefährlichen Kopfverletzungen gestorben ist.

Bei Verkehrspolitikern und regelmäßigen Besuchern des Tempelhofer Feldes ist die Bestürzung über den Todesfall groß. „Es ist eine Katastrophe, dass so etwas passiert ist“, sagt Kitelehrer Tim Retzlaff. Um solche Unfälle in Zukunft zu verhindern, appelliert Retzlaff an die Vernunft der übrigen Kiter, kann sich aber auch weitere Maßnahmen vorstellen. So seien Hinweisschilder mit den Kiteregeln oder ein Fahnensystem eine Möglichkeit. „Wenn es am Wochenende zu voll ist, könnte man eine rote Flagge hissen, damit klar ist, jetzt darf auf der Start- und Landebahn nicht mehr gekitet werden“, schlägt Retzlaff vor.

CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici könnte sich eine solche Regelung durchaus vorstellen. „Mir fehlt noch das Patentrezept, das ist aber eine gute Idee“, sagt Friederici. Verbote oder eine zu strikte Reglementierung sieht der CDU-Abgeordnete indes kritisch. „Wenn man Regeln aufstellt, muss man deren Einhaltung kontrollieren, und das wäre auf dem Tempelhofer Feld schwierig“, sagt Friederici. „Außerdem helfen Verbote hier nicht.“

Zauberwort: Rücksichtnahme

Ähnlich äußert sich Siegfried Brockmann, Experte bei der Unfallforschung der Versicherer. Er sieht vor allem die große Vielfalt an Freizeitaktivitäten als Schwierigkeit. „Trennt man Kitesurfer und Radfahrer, dann gibt es eben einen Unfall mit Joggern oder Inlineskatern“, sagt Brockmann. Zudem widersprächen solche Einschränkungen dem Geist des Tempelhofer Feldes und würden wahrscheinlich auf wenig Akzeptanz treffen. „So tragisch dieser Fall ist, sehe ich keine Maßnahme, die hier hilft“, sagt Brockmann. Die einzige Chance, Unfälle zu vermeiden, sei die gegenseitige Rücksichtnahme.

Stefan Gelbhaar von den Grünen plädiert für eine bessere Sensibilisierung der verschiedenen Nutzer. „Aus dem Unfall muss man Schlussfolgerungen ziehen. Die Nutzung nimmt zu und damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit von Unfällen“, sagt Gelbhaar. „Dafür müssen alle Beteiligten sensibilisiert werden.“ Ob dies mit Schildern, Fahrbahnmarkierungen oder auf anderem Wege passiere, müsse man diskutieren.

Piktogramme auf den Fahrbahnen, die auf „querenden Verkehr“ hinweisen, sieht auch Tilman Heuser vom BUND als probates Mittel. Der Koordinator des Beteiligungsverfahrens weist jedoch darauf hin, dass starre Verbote oder die Ausweisung von Flächen für bestimmte Nutzergruppen bislang abgelehnt würden. „Das Prinzip gegenseitiger Rücksichtnahme funktioniert auf dem Feld grundsätzlich gut“, sagt Heuser. Schnelle Nutzer wie Radfahrer und Kiter sollten sich selbst verbindliche Regeln geben und sie dann kommunizieren. „Die Frage ist dann allerdings: Wie erreicht man schwarze Schafe, die sich nicht an diese Regeln halten?“ Heuser könnte sich vorstellen, einen „Tag der Rücksichtnahme“ zu veranstalten.

Unfallträchtig sind besonders die Eingänge in den Park, hier würde nur ein gezielter Umbau helfen, sagt Heuser. Beschließen müssten solche Maßnahmen Senat und Abgeordnetenhaus. Im Dezember sollen die Ergebnisse des Beteiligungsverfahrens ins Parlament eingebracht werden.

Zweiter Todesfall auf dem Tempelhofer Feld

Wie berichtet, hatte sich der Unfall am Sonnabend um 14.15 Uhr auf der ehemaligen Start- und Landebahn ereignet. Der Radfahrer war in Richtung Tempelhofer Damm unterwegs; ein 26-jähriger Kitesurfer überholte ihn auf seinem Kiteboard. In diesem Moment brach der Schirm zusammen, fiel auf den Unbeteiligten und ließ diesen vom Fahrrad stürzen. Nach dem Unfall war der Mann sofort notoperiert worden – doch auch die Ärzte konnten sein Leben nicht mehr retten. Gegen den Kitesurfer wird nun wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Der Verkehrsermittlungsdienst der Polizei hat übernommen.

Der Mann war nicht der erste Verkehrstote auf dem Tempelhofer Feld, das seit der Öffnung 2010 täglich von tausenden Radfahrern, Joggern und eben auch Kitesurfern genutzt wird. Im April 2013 war ein Radler – ebenfalls auf der ehemaligen Start- und Landebahn – mit einem Jogger zusammengestoßen. Bei dem Sturz verletzte sich der Radler so schwer, dass er an der Unfallstelle reanimiert werden musste. Er starb Tage später – laut Obduktion an den schweren Rückenverletzungen, die er sich beim Sturz zugezogen hatte.

Nach Angaben der Polizei soll auch der Leichnam des nun verstorbenen 64-Jährigen gerichtsmedizinisch untersucht werden. So soll die Frage beantwortet werden, ob der Mann durch den Lenkdrachen oder den anschließenden Sturz vom Fahrrad tödlich verletzt wurde.

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