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In Budapests Parlament wurde lange über das Notstandsgesetz debattiert.

© imago/Schöning

Ungarn: Partnerland der Grünen Woche: Warum DDR-Bürger gern nach Ungarn fuhren

Die Hoffnung auf Jeans, Schallplatten und einen Besuch im Thermalbad: Reise ins gelobte Land der Achtziger.

Die Grüne Woche beginnt, Partnerland ist Ungarn, das gerade wieder Schlagzeilen macht. Dorthin pflegt Berlin ein besonderes Verhältnis. Eines, zu dem Fluchten gehören, Sehnsüchte, Schlenkis und Pál Dárdai. Wir waren der ungarischen Küche auf der Spur oder überlegen, warum DDR-Bürger gerne nach Ungarn gefahren sind.

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Coca Cola, Formel 1, Queen – in den Augen vieler DDR-Bürger war Ungarn besonders in den 1980ern das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Hier gab es nicht nur Westwaren, die daheim höchstens gegen D-Mark im Intershop erhältlich waren, sondern sogar Autorennen und Popkonzerte, wie man sie von „drüben“ aus dem Fernsehen kannte. Dazu herrschte eine liberale Atmosphäre, die es sogar möglich machte, ohne Schwierigkeiten Verwandte aus der „BRD“ zu treffen oder gar Freundschaften mit „Bundis“ zu schließen, die hier billig Urlaub machten.

Deutsches Ostgeld wollte niemand haben

Kein Wunder, dass sich jedes Jahr im Sommer Massen von DDR-Bürgern in Richtung Süden aufmachten. Meist fuhren sie mit der Reichsbahn, in hoffnungslos überfüllten Zügen; Platzkarten gab es schon Monate vorher nicht mehr. Wer keine hatte, quetschte sich mit dem Rucksack, der „Kraxe“, in einen der Waggons, für die keine Reservierung nötig war. Oder es ging mit dem Trabi gen Donau und Plattensee, Zelt und Isomatte im Kofferraum – und vor allem Dosen mit Fleisch, Wurst und Eintopf. Niemand wollte sein Geld für Lebensmittel verschwenden. Das ungarische Geld war kostbar: Nur etwa 400 DDR-Mark durften pro Jahr umgerubelt werden. Ein Umtausch in Ungarn? Praktisch unmöglich, weil keiner das Ostgeld brauchen konnte.

Glücklich schätzen konnte sich jeder, der eine große Verwandtschaft hatte. Ungarntouristen nötigten Großeltern, Tanten und Onkel gern vor der Abreise zur Bank, damit diese ihr Jahreskontingent an Forint für die lieben Enkel, Nichten und Neffen abholten. Das Geld musste – meist gut verborgen an nicht näher zu beschreibenden Stellen – über die Grenze geschmuggelt werden. Die Kontrollen waren scharf und hinterließen so gar nicht den Eindruck, von einem ins andere sozialistische Bruderland zu reisen.

Am Rand der Stadt konnte man kostenlos zelten

Meist reichte es dann doch nur für einige wenige Mitbringsel wie ein bisschen Kosmetik, ein, zwei Schallplatten oder ein Paar Jeans. Unterkunft, Campingplatz, Fahrten mit Bus oder Bahn oder Besuche in den berühmten Thermalbädern mussten ja auch bezahlt werden. Besonders sparsame Budapestgäste nutzten gern einen Zeltplatz am Rand der Stadt, auf dem das Übernachten kostenlos war. Doch musste man morgens seine Zelte wieder abbrechen und seine Siebensachen tagsüber in einem Bahnhofsschließfach deponieren. Dafür gab’s einen Container mit Duschen und einen Weckservice: Punkt 7 Uhr heulte die Sirene der Rendörség – der Polizei.

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