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Berlin: Ungeordnete Sammlung

Die neue Partei „Wahlalternative“ droht noch vor ihrer Gründung am Streit zu zerbrechen

Eine neue Partei zu gründen, muss schön sein: Alles anders machen, die Welt neu erfinden, die eigene Kraft spüren. Wie damals, als die vielen glücklich-naiven Idealisten die Grünen aus der Taufe hoben. Jetzt wird wieder eine Partei gegründet, die „Wahlalternative Arbeit & Soziale Gerechtigkeit“. Zwei Männer fortgeschrittenen Alters sitzen im Café Voss, Rosa-Luxemburg-Straße, in verdächtiger Nähe zur PDS-Parteizentrale. Sie erklären, warum man eine Bundesdelegiertenkonferenz nicht vor einer Landesmitgliederversammlung abhalten kann, warum ein Arbeitsausschuss nicht wahlberechtigt ist, auch wenn er das selbst ganz anders sieht und was eine Sammlungsbewegung ist. Der eine sagt dann noch, man müsse jetzt deutlich auf die „Euphoriebremse“ treten, damit man die Anhänger nicht enttäusche, wenn es bei der nächsten Bundestagswahl nicht zur Fraktionsstärke reicht. Das mit der Euphoriebremse ist ihm ansatzlos gelungen.

Es gibt Streit in der neuen Partei, obwohl es sie noch gar nicht gibt. Die einen wollen den rot-roten Senat per Volksbegehren aus dem Amt jagen, die anderen wollen erst einmal die Partei gründen und dann weiter sehen. Die einen haben vorgestern schon mal einen „Koordinierungskreis“ gewählt, der irgendwann eine „Regionalversammlung“ abhalten möchte, um dort einen „provisorischen Landesvorstand“ zu bestimmen. Die anderen sagen, die einen hätten das laut Satzung gar nicht tun dürfen. Deshalb haben sie einen „Landeskoordinator“ eingesetzt, der „kommissarisch“ den Vorsitz übernimmt, bis ein richtiger Vorsitzender gewählt ist. Eine Spaltung steht bevor, aber das Wort sagt keiner. Es fällt ohnehin auf, dass viele nahe liegende Worte nicht gesagt werden, sondern eher schwammige wie „integrieren“ oder „diskutieren“. Die Parteigründer sind schon richtige Vollblutpolitiker.

Der Landeskoordinator heißt Lothar Nätebusch. Er wurde vom Bundesvereinsvorstand der künftigen Partei eingesetzt, was unklug war, denn nun wirkt er wie ein römischer Statthalter in der gallischen Provinz. Nätebusch ist Vorsitzender des Landesbezirks der IG Bau Berlin-Brandenburg, Gewerkschafter seit 30 Jahren, ein gestandener Funktionär, der weiß, wie man Organisationen aufbaut und managt. Nur fehlt es ihm an Visionen und Charisma. Er möchte jetzt mit allen Gruppen innerhalb der „Sammlungsbewegung“ sprechen und nach „Kandidaten suchen, denen das Vertrauen geschenkt wird“. Die könnten dann in einem noch zu bestimmenden „Leitungsgremium“ mitarbeiten. Nätebusch ist ein Meister der vagen Andeutung. Vielleicht liegt es daran, dass er DKP-Mitglied ist. Vorher war er in der PDS. Aber darüber redet er nicht so gerne. Gerüchte, man wolle später mal mit der PDS paktieren, seien reine Spekulation.

Nätebusch erklärt sein Engagement für die neue Partei mit den vielen von Hartz IV betroffenen arbeitslosen Bauarbeitern, denen es jetzt an den Kragen gehe. „Eine unerträgliche Situation.“ Landesvorsitzender möchte er aber nicht werden. „Der Job ist nur eine Übergangslösung.“

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