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Berlin: Unkontrollierbar

Busfahrer und Gäste bleiben nach dritter Entführung gelassen

Beim Einsteigen an der Schloßstraße hatte sich der junge Mann an den Busfahrer gewandt und grinsend gefragt: „Kann man hier kostenlos mitfahren auf dieser gefährlichen Linie?“ Das war in der Linie 185 am Freitag vor zwei Wochen. Zu der Zeit stand ein andere Bus derselben Linie am Sachsendamm – umstellt von Polizisten, an Bord den bewaffneten Entführer Dieter Wurm mit seinen beiden Geiseln. „Das ganze Leben ist gefährlich“, hat der Fahrer damals geantwortet und mit den Schultern gezuckt, als hätte sich das Problem für die nächsten Jahre erledigt. Auch Fahrgäste, die schon von dem Vorfall gehört hatten, redeten kaum darüber.

Nun also die dritte Entführung binnen 16 Tagen. Aber noch immer scheint Busfahren so selbstverständlich, dass sich niemand Gedanken darüber macht – weder Fahrer noch Passagiere: Der Mann am Steuer eines 204er Richtung Zoo schaut zwar an jeder Haltestelle zur Tür. Aber er beobachtet nur die Füße der Fahrgäste. Auch die Passagiere schauen sich nicht um, achten nicht auf nervöse Mitreisende oder auf unbeaufsichtigte Taschen, wie sie es vielleicht seit dem 11. September 2001 in der UBahn oder auf den Flughafen manchmal machen. Wer fliegt, muss vor dem Start durch einen Metalldetektor, und wenn die Kabinentür erst einmal zu ist, bleibt sie zu. Das ständige Kommen und Gehen im Bus aber ist nicht zu kontrollieren. Der Fahrer des 204er rettet sich in die Statistik: „Für mich ändert sich durch die Entführungen nichts. Wir sind über 3000 Kollegen. Da ist die Gefahr, dass es einen selbst trifft, denkbar gering.“ Sein Kollege auf dem Rückweg sagt: „Es wäre schon praktisch, wenn den Leuten auf die Stirn geschrieben wäre, ob sie verrückt sind oder nicht. Aber Angst habe ich keine, und bei meinen Kollegen spielt das Thema auch keine Rolle.“ Der Fahrer eines 148ers sagt: „Fahrgäste und Kollegen sprechen mich nicht darauf an, aber meine Familie macht sich langsam Sorgen.“ Mehr Sicherheit als der Notruf-Knopf unter den Armaturen sei in einen Bus kaum einzubauen. So sieht das auch die BVG-Zentrale: „Wir können vorerst nichts ändern. Fahrerkabinen würden nur unsere Kollegen schützen, aber nicht die Passagiere“, sagt Sprecherin Barbara Mansfield.

1300 Busse sind täglich in Berlin unterwegs. Die Entführungen seien schlimm, sagt ein Fahrer. „Aber unser wahres Problem sind die alltäglichen Pöbeleien.“ obs

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