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Berlin: Unser Mann in Mittelerde

Uli Böttner spielte „Wild Man“ an der Seite von Christopher Lee im zweiten Teil des „Herrn der Ringe“. Seit langem lebt er in Neuseeland, jetzt ist er wieder einmal in seiner Heimatstadt zu Besuch.

Von Andreas Conrad

Drehpause in Mittelerde. Saruman und Wild Man sitzen zufällig beisammen, warten auf den nächsten Auftritt. Schurken aller Couleur, von Dracula bis zum Mann mit dem goldenen Colt, hat Christopher Lee verkörpert, nun also den zum Bösen abgefallenen Zauberer in Tolkiens „Herr der Ringe". Knapp 80 Jahre ist er alt, der Drehtag hat ihn erschöpft. Niemand würde es übel nehmen, wenn er jetzt nur Ruhe wollte und keine Lust verspürte, die Pause mit einem der zahllosen Nebendarsteller, der nicht mal einen eigenen Filmn hat, zu verplaudern. Aber der alte Christopher ist nicht dieser unnahbare Typ, und zudem hatte Uli Böttner erwähnt, dass er zwar schon lange in Neuseeland lebt, aber eigentlich aus Berlin stammt. Berlin? Lee ist wie elektrisiert. Wirklich Berlin? Und schon fängt er an zu schwärmen, von der Stadt an der Spree, der Berlinale und auch Babelsberg. Berlin macht munter – noch am anderen Ende der Welt.

Über solche Erlebnisse am Rande der Dreharbeiten darf Uli Böttner schon erzählen. Details aus dem zweiten Teil von „Der Herr der Ringe“ preiszugeben, ist ihm und den anderen Schauspielern aber vertraglich untersagt: Top secret. Wenn die kostümierten Darsteller in Wellington zu den Studios gefahren wurden, waren sogar die Scheiben der Busse verhängt. Also nur so viel: Die Wild Men sind, wenn man so will, die Hinterwädler von Mittelerde, an sich gut und von ökologischem Bewusstsein, leider von Saruman verführt und zu fragwürdigen Zwecken eingespannt. Erst im zweiten Teil der „Ringe“-Trilogie tauchen sie auf. Der startet am 18. Dezember und wird „Die zwei Türme“ heißen – trotz des 11. Septembers. „Die Tolkien-Fans werden uns umbringen, wenn wir das ändern“, wird Regisseur Peter Jackson in einem Zeitungstext aus Neuseeland zitiert, den Uli gerne vorzeigt, schon wegen des Szenenfotos: Wild Man Uli in voller Aktion.

Immerhin spielt er einen Anführer der kriegerischen Naturburschen, was nicht bedeutet, dass von ihm diffizile Dialoge erwartet wurden. Es sei eben „der, der im Kampf zuerst losrennt“, einmal sogar zwischen Christopher Lee und der Kamera durch. „Auf die Kamera musst du nicht achtgeben, die ist nur gemietet“, hatte ihm der Regisseur geraten. „Aber lass ja unseren Schauspieler heil.“

Ein langer Weg, der Uli Böttner von der elterlichen Druckerei in Wannsee bis zu den Studios in Wellington und der wilden Landschaft von Central Otago auf der Südinsel führte. Weiter geht es ja wirklich nicht. Vor Jahrzehnten hat er in Berlin mal ausprobiert, ein Stück zu schreiben, das hat er sogar mit anderen Studenten aufgeführt. Aber das war auch schon der einzige Kontakt zur Schauspielerei. Für vieles hat er sich schon interessiert in seinem Leben, auch fürs Fotografieren und Filmen, aber mehr technisch, nicht als Akteur. Kameraassistent oder Beleuchter, das hätte er sich vorstellen können. Das hat er der Produktionsfirma geschrieben, als er für seinen 17-jährigen Sohn eine Bewerbung für den „Herrn der Ringe“ verfasste und gleich auch von sich ein Foto beilegte. Das zeigte ihn bärtig und mit muskulösem nacktem Oberkörper, in den Händen hielt er den „Talking Stick“ aus seiner Männergruppe, den trägt immer der, der in der Runde gerade das Wort hat – ein Ritual der Hopi-Indianer, bei denen hat er auch mal gelebt. Sein Sohn hat keine Rolle bekommen, nur bei ihm rief man an: Ob er dann und dann Zeit habe. Vorsprechen? Probeaufnahmen? Überflüssig.

Uli Rainbow nennt er sich in Neuseeland, der deutsche Nachname mit dem Umlaut war ihm zu unbequem geworden. Mit einem Containerschiff waren er und seine Freundin 1984 aus den USA angekommen. Deutschland hatte er einige Jahre vorher den Rücken gekehrt. Angesichts der zunehmenden Aufrüstung in West und Ost wollte er möglichst rasch weg, der Verkauf der Druckerei erlaubte es ihm. Griechenland, England, Kanada und ausgerechnet die USA waren die Stationen, schließlich Neuseeland.

Dort lebt er abwechselnd in einem selbstgebauten Haus an einer einsamen Bucht der Marlborough Sounds im Norden der Südinsel und in einer Wohnung in dem 70 Kilometer entfernten Städtchen Nelson. Seit langem engagiert er sich im Umweltschutz, setzte sich dafür ein, dass Batterien aus dem Hausmüll verschwinden, bedruckt Baumwolltaschen, arbeitet als Lehrer für Naturwissenschaften, baut Wochenendhäuser aus Holz, importiert Solarzellen – oder exportiert Honig: Viereinhalb Tonnen hat er mit nach Deutschland gebracht, wohin es ihn doch immer wieder zieht. Schließlich lebt seine Mutter in Berlin.

Aber wenn er von „wir“ redet, meint er nicht mehr die Deutschen, sondern die Neuseeländer. Was nichts mit Patriotismus zu tun hat, spricht er doch noch lieber von der Global Community und unserem Home Planet. „Wir“ signalisiert, „dass ich ein Teil davon geworden bin“. Und gerade sein Ausflug ins Filmgeschäft hat ihm wieder mal bestätigt, wie gut er es mit seiner Wahlheimat getroffen hat. Diese Bereitschaft zur Teamarbeit, die Fähigkeit zur Improvisation, der kreative Geist bei der Produktion – wie Christopher Lee von Berlin beginnt nun Uli Rainbow von Neuseeland zu schwärmen.

Von März bis Dezember 2000 dauerten die Dreharbeiten für die drei Teile, eine intensive Zeit, doch zugleich eine einzige Party, mit viel Spaß nicht nur für die Leute am Set. „Release the chicken – lasst die Hühner frei“ – das Kommando vor einer bestimmten, offenbar dörflichen Szene wurde geradezu zum, nun ja, geflügelten Wort, das bald auch außerhalb des Sets die Runde machte.

Das Spielen selbst fand Uli einfach, getragen vom kreativen Geist der Produktion und den präzisen Anweisungen der Regieassistentin. Nur einmal, als er mitten in einem brennenden Dorf stand, eingehüllt in Fell und Wolle, und noch Freudensprünge verlangt waren – das ging schon an die Grenze. Die Pyrotechniker hatten es etwas zu gut gemeint. Vor Hitze ging sogar ein künstlicher Pferdekadaver ungeplant in Flammen auf, aber selbst schlapp zu machen, ging für Wild Man Uli nicht: Die Hütten brennen nur einmal.

Seinen ersten Kontakt mit Tolkien hatte er schon in den Siebzigern, als er in einer WG in Bremen lebte und, wie es fast alle damals machten, den „Kleinen Hobbit" las. Das hatte ihm immerhin den Spitznamen Bilbo eingebracht. Den „Herrn der Ringe" dagegen hat er noch immer nicht gelesen: Zu dick.

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