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Berlin: "Unsere Dienstleistung ist Sicherheit"

Gerd Neubeck (50) ist seit Oktober 2001 amtierender Polizeipräsident Berlins. Der frühere Oberstaatsanwalt kam im März 2000 aus Nürnberg nach Berlin.

Gerd Neubeck (50) ist seit Oktober 2001 amtierender Polizeipräsident Berlins. Der frühere Oberstaatsanwalt kam im März 2000 aus Nürnberg nach Berlin. Als Vize-Polizeichef bestand seine zentrale Aufgabe darin, die Verwaltungsreform umzusetzen, die aus der verknöcherten Berliner Polizei ein modernes Dienstleistungsunternehmen machen soll. Nachdem der langjährige Polizeichef Hagen Saberschinsky im Herbst in Pension ging, führt Neubeck die Behörde mit 27 000 Mitarbeitern - vorerst vorübergehend. Als Kandidat für die dauerhafte Saberschinsky-Nachfolge ist neben Neubeck auch der Chef des Bundesgrenzschutzpräsidiums Ost, Udo Hansen, im Gespräch. Der neue Polizeichef wird nach Bildung der neuen Landesregierung vom Innensenator ernannt. Neubeck ist verheiratet und hat drei Kinder.

Herr Neubeck, noch sitzen Sie nicht im Büro des Polizeipräsidenten. Denken Sie, dass sich Rot-Rot auf Sie als Nachfolger von Hagen Saberschinsky verständigt?

Ich weiß es nicht. Ich mache mir da auch keine Gedanken. Ich habe mit meiner Arbeit genug zu tun. Der Innensenator hat im vergangenen Jahr verkündet, er will im Januar den neuen Präsidenten vorstellen. Ich nehme an, das wird auch so kommen.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Aufgaben des Polizeipräsidenten?

Die wichtigste Aufgabe ist die Erneuerung der Behörde.

Welches sind die wichtigsten Vorhaben für das neue Jahr, die die Bürger spüren werden?

Wir wollen auf die Bürger zugehen und kundenfreundlicher werden. Wir werden versuchen, mit dem knappen Personal so zu arbeiten, dass der Bürger mehr davon hat. Ich ärgere mich in unserem Land immer über die mangelnde Dienstleistungsqualität.Übertragen auf die Polizei bedeutet das: Es geht zum Beispiel nicht, dass ich eine Wache habe, auf der ein Bürger etwas los werden will - und die Beamten sind damit beschäftigt, zu telefonieren oder andere Arbeiten zu erledigen. Die Polizei muss noch mehr Ansprechpartner für den Bürger werden. Technische Neuerungen sollen helfen, die Beamten von anderen Aufgaben zu entlasten. Unsere Arbeit soll noch mehr als Dienstleistung verstanden werden: Ein Service, der darin besteht, dass wir Sicherheit bieten.

Also mehr Grün auf der Straße?

Das ist eine Forderung, die eigentlich nicht gerechtfertigt ist: Denn mehr Grün als in Berlin sehen Sie in keiner anderen Stadt in Deutschland auf der Straße. Aber das Empfinden der Bürger ist anders, und darauf müssen wir eingehen.

Was hat sich in Berlin nach dem 11. September verändert?

Der Tag hat auch dem Letzten klar gemacht, dass man nicht sagen kann: Wenn irgendwo anders auf der Welt ein Konflikt ist, dann geht uns das nichts an. Wir sind verwickelt. Niemand kann sich mehr irgendwo sicher sein. Und darauf muss auch unsere Behörde reagieren. Das umso mehr, weil hier mehr Menschen verschiedener Nationen leben als in vielen anderen Städten Deutschlands.

Wie hat sich die Kriminalität im vergangenen Jahr entwickelt?

Es fehlt noch die Auswertung für Dezember. Trends kann man aber schon erkennen. Die Straftaten sind weiter auf dem sehr hohen Niveau der vergangenen vier, fünf Jahre. Die Zahl wird sogar möglicherweise geringfügig höher sein. Es gibt eine sehr starke Zunahme bei den Vermögensdelikten, also Betrug, Computerkriminalität, Scheck- und Kreditkartenmissbrauch. Auch gibt es, wie vor der Währungsumstellung erwartet, einen deutlichen Anstieg bei der Geldfälschung.

Was ist der alarmierendste Ergebnis der Kriminalstatistik?

Was für den Bürger am unschönsten ist, ist sicher die starke Zunahme von körperlicher Gewalt im Alltag, von Rohheitsdelikten. Und es gibt extreme Zuwächse im Bereich Sachbeschädigung und Vandalismus. Die Zahl der Einbrüche ist gestiegen, hat sich aber in verschiedenen Bereichen der Stadt sehr unterschiedlich entwickelt. Extreme Rückgänge gibt es beim Diebstahl an und von Kraftfahrzeugen. Erfreulich ist auch, dass uns die Drogenszene weiterhin nicht so stark belastet, wie es in anderen Großstädten der Fall ist.

Sind Sie für die kontrollierte Abgabe von Heroin an Abhängige, um die Beschaffungskriminalität einzudämmen?

Nein, davon halte ich nichts. Meine Meinung ist, dass die Freigabe nichts bringt. Man muss die Droge ächten und die Menschen anders vom Heroin wegbringen. Aber das ist ja nicht nur eine polizeiliche Aufgabe. Die Themen Gewalt, Drogen, Alkohol sind gesamtgesellschaftliche Probleme.

Thema Computerkriminalität: Ist die Polizei weiter unzureichend ausgerüstet?

Nein. Die normale Computerkriminalität wird gut von uns aufgefangen. Wir haben in den vergangenen Monaten hier sehr viel gemacht und die Behörde zum Beispiel mit neuen PCs aufgerüstet. Die alte Olympia-Schreibmaschine gibt es zwar noch, aber sie wird immer seltener. Ein Defizit haben wir immer noch bei der Internetkriminalität. Da muss noch mehr passieren, zumal sich die Kriminalität dort immer weiter entwickelt. Das betrifft den Handel im Internet ebenso wie das ekelhafte Thema Pornographie und Kinderpornographie. Das erfordert noch mehr Investitionen: Wir brauchen mehr Internetanschlüsse, es müssen mehr Beamte für Recherchen eingesetzt werden. Dafür reicht die bestehende bundesweite BKA-Zentralstelle für Internetkriminalität nicht aus.

Ein Dauerbrenner in Berlin ist der 1. Mai. Was erwarten Sie dieses Jahr?

Wir erhoffen uns einen friedlichen 1. Mai. Aber ich bin kein Utopist: Wir tun das uns Mögliche. Wir können und wollen den 1. Mai nicht abschaffen. Wer gewaltbereit ist, findet außerdem immer einen Anlass. Wir führen im Vorfeld Gespräche mit jedem, der mit uns reden will. Wir werden versuchen, auch unser Deeskalations-Konzept "Aha!" der vergangenen Jahre weiterzuführen und zu verbessern. Das spricht sicherlich nicht die Randalierer an. Denen kann man nur mit konseqenter Strafverfolgung begegnen. Gute Erfolge hatten wir im vergangenen Jahr mit der Fahndung mit Bildern von Straftätern. Ungefähr ein Drittel der Abgebildeten konnten wir ausfindig machen. Das soll auch in diesem Jahr Leute abschrecken, einen Stein zu werfen. Das Risiko, belangt zu werden, muss erhöht werden. Dann müssen möglicherweise im Vorfeld mehr bekannte Randalierer angesprochen und gegebenenfalls deren Freiheit vorübergehend beschränkt werden.

So wie Sie es vor Genua gemacht haben?

Ja, das waren Anfänge. Das wollen wir weiter entwickeln. Daneben konzentrieren wir uns stark auf das Umfeld, das eher mit den Randalierern als mit der Polizei sympathisiert und denen oft als Deckung dient. Da wollen wir rein.

Welche Rolle spielt dabei die PDS, die im vergangenen Jahr zu den Mitveranstaltern einer der Mai-Demos gehörte?

Jede Partei, die in Regierungsverantwortung kommt, muss sich fragen, was ihr Beitrag ist. Ich könnte mir schon vorstellen, dass da auch Ideen von der PDS kommen, wie man das Problem angeht und wie man an das Umfeld rankommt.

Wollen Sie die "Revolutionäre 1.-Mai-Demo" wieder verbieten?

Wenn es soweit ist, werden wir dem Innensenator Vorschläge und Empfehlungen unterbreiten. Dafür ist es aber noch zu früh.

Fanden Sie die Strategie des vergangenen Jahres mit dem Demonstrationsverbot erfolgreich?

Es war ein Einstieg. Sehen Sie: Wir haben eine Demonstration, die seit Jahren unfriedlich verläuft. Wir haben über die Jahre mal die harte Welle probiert, mal die weiche. Und alle Ansätze sind letztlich gescheitert. Und wir haben doch die Verbotsgründe in der Hand: Das Gesetz sagt, eine solche Demonstration, von der Gewalt ausgeht, kann bzw. muss verboten werden. Das haben wir gemacht, und es hatte gerichtlichen Bestand. Wieso sollten wir es also dieses Jahr nicht wieder machen? Außerdem haben wir ja ein ganz anderes Instrumentarium zur Hand, um einzuschreiten, wenn die Demonstration verboten ist. Aber erst mal müssen wir abwarten, wie sich das Demonstrationsgeschehen entwickelt, unter den veränderten politischen Gegebenheiten in der Stadt.

Polizei und Innere Sicherheit sind wichtige Punkte in der rot-roten Koalitionsvereinbarung. Wieweit entspricht das Beschlossene Ihren Vorstellungen?

Ich kenne die Vereinbarung nicht dezidiert. Aber wir stimmen mit der Aufgabenkritik der Koalitionsparteien überein: Die Polizei ist zum Teil erheblich belastet mit Aufgaben, die nicht von der Polizei wahrgenommen werden müssen, zum Beispiel bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten.

Sehen Sie noch andere Vereinbarungen, mit denen Sie sich anfreunden können?

Von dem Vorhaben, die Arbeit der Polizei durch eine modernisierte Technik zu verbessern, erhoffe ich mir einiges. Dann gibt es ja noch die Pläne, die Polizei von den Einsparungen beim Personal auszunehmen. Das ist notwendig, denn ich bin der Meinung, dass wir personell keine Ressourcen mehr haben.

Wo sehen Sie die Widersprüche zu den künftigen Koalitionären?

Polizeiliche Vorstellungen können sich in vielen, aber nicht in sämtlichen Ergebnissen wiederfinden. Doch wir sind Demokraten genug um zu akzeptieren, dass derjenige, der die politische Verantwortung trägt, eine Güterabwägung vornimmt - auch zwischen polizeilichen und anderen Belangen.

Gibt es Vereinbarungen der Koalition, die die Polizeiarbeit vor große Probleme stellen? Die Kennzeichnung der Beamten etwa wurde aus den Reihen der Polizei heftig kritisiert.

Ich sehe keine Vorhaben, die unsere Arbeit einschneidend belasten. Die Kennzeichnung der Beamten wird kontrovers diskutiert - auch kontrovers in unserer Behörde. Ängste, Befindlichkeiten und Interessen führen zu unterschiedlichen Auffassungen. Aber wenn wir gekennzeichnet sind, werden wir unsere Arbeit auch tun. Genauso wie vorher. Natürlich ergeben sich gewisse Konsequenzen. Aber das ist kein Knackpunkt.

Herr Neubeck[noch sitzen Sie nicht im Büro d]

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