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Berlin: Untätige Polizisten kamen milde davon

Zwei der Polizeibeamten hätten eingreifen können und müssen. Sie hörten nach Überzeugung der Richter die Schreie und das Wimmern einer Frau.

Zwei der Polizeibeamten hätten eingreifen können und müssen. Sie hörten nach Überzeugung der Richter die Schreie und das Wimmern einer Frau. „Obwohl sie wussten, dass ein Mensch gequält wird, sind sind mehrere Minuten lang nicht eingeschritten", sagte Richter Gerd Schultz. Gegen den 40-jährigen Uwe T. erging gestern eine achtmonatige Bewährungsstrafe, gegen den 28-jährigen Kai N. eine Geldstrafe in Höhe von 3150 Euro. Die untätigen Polizisten wurden der versuchten Körperverletzung im Amt schuldig gesprochen. Für zwei weitere Beamte endete der Prozess mit einem Freispruch.

Bis zu 18 Polizisten waren vor Ort, als zwei Gangster die Wirtin des Lokals „Droschkenkutscher" in Prenzlauer Berg halbtot schlugen. Während einer der Räuber am 9. Juni 1998 zwei Spielautomaten knackte, trat der andere immer wieder auf die damals 54-jährige Barbara F. ein. Bereits kurz nach dem Überfall waren Beamte vor dem Lokal an der Malmöer Straße. Die ersten beiden sahen durch ein Fenster zwei Täter. Die nächsten schlichen ums Haus. Doch niemand griff ein. In der Stadt hatte es große Empörung über die als „feige" bezeichneten Polizisten gegeben.

„Es herrschte ein organisatorisches Chaos", sagte der Richter. Es sei dem Gericht auch leider verborgen geblieben, wer den Einsatz leitete. Formal soll es T. gewesen sein. Insgesamt seien die Angeklagten „etwas willkürlich" ausgewählt worden. Aber nur der inzwischen aus dem Polizeidienst ausgeschiedene T. und der Beamte N. hatten nach dem Einsatz in Zeugenvernehmungen berichtet, dass sie aus dem Lokal ein Stöhnen gehört hatten. Kai N. sprach von schlagartigen Geräuschen und einer weiblichen wimmernden Stimme. Im Prozess vor dem Amtsgericht aber sagte N., der sich als einziger der vier Angeklagten zu den Vorwürfen äußerte: „Mir war nicht klar, was die Geräusche bedeuteten." Aus Sicht der Verteidiger konnte keinem der Angeklagten nachgewiesen werden, dass sie tatsächlich Schmerzensschreie hörten. Es seien alles nur Spekulationen, argumentierten sie und beantragten Freisprüche. Staatsanwalt Reinhard Albers hatte für die vier Angeklagten Bewährungsstrafen zwischen einem Jahr und drei Monaten gefordert. „Wenn ein Mensch verletzt wird, und zwar erheblich, dann muss ich als Polizeibeamter sofort entscheiden", sagte der Richter. Doch Uwe T. und Kai N. hätten beschlossen, untätig zu bleiben und auf ein Sondereinsatzkommando zu warten. Weil sie vermuteten, dass die Täter bewaffnet sind, hatten die Beamten schusssichere Westen angelegt, die Waffen gezogen. Von einer angeblichen Geiselnahme wurde gesprochen. Eine fatale Fehleinschätzung. Mindestens zehn Minuten sollen die Polizisten vor dem Lokal untätig gewartet haben, während Barbara F. malträtiert wurde.

Weil nicht festgestellt werden konnte, zu welchem Zeitpunkt die Wirtin die erheblichen Verletzungen erlitt, kam es zu einem Schuldspruch wegen versuchter Körperverletzung im Amt. Barbara F. wird von ihrem Anwalt von dem Urteil hören. Sie konnte nicht zum Prozess gegen die beiden Räuber erscheinen, die 1998 zu jeweils 13 Jahren Haft verurteilt wurden, und auch nicht zum jetzigen. Sie leidet noch immer an den Folgen des Überfalls. Ihr Anwalt Jörg Tänzer will nach vom Land 80 000 Euro Schmerzensgeld einklagen. Kerstin Gehrke

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