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Berlin: Unter den Linden wird der Schlussstein gesetzt

Achtstöckige Neubauten an der Friedrichstraße geplant – Platz und Hotel weichen

Sie gehört zu den prominentesten Ecken der Stadt, aber sie wirkt vernachlässigt. Ein Kiosk, ein paar Bänke und 16 Ahornbäume stehen auf dem kleinen Platz vor dem Hotel „Unter den Linden“ Ecke Friedrichstraße. Nicht mehr lange. Das Hotel wird abgerissen und die einzige Freifläche, die der Neubauboom der vergangenen Jahre an der Friedrichstraße übrig gelassen hat, verwandelt sich vielleicht schon im nächsten Jahr in eine Baustelle. Wenn bis 2006 mehrere Gebäudeteile mit Läden, Büros und einem 20-prozentigen Wohnanteil stehen, dürfte die berühmte Ecke nicht wiederzuerkennen sein. Die achtstöckigen Neubauten, unter denen 200 Tiefgaragenplätze entstehen sollen, führen die Häuserschlucht der Friedrichstraße bis an die Linden heran. Die neuen Gebäude, für die bislang nur ein Test-Entwurf vorliegt, ähneln dem Dussmann-Haus und haben wie dieses eine Arkade.

Die MEAG, Vermögensmanagement der Münchner Rück(versicherungsgesellschaft) und der Ergo-Versicherungsgruppe, hat jetzt das Grundstück vom städtischen Liegenschaftsfonds erworben und plant Anfang nächsten Jahres mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen Architektenwettbewerb. Um das 2300 Meter große Areal, das als eines der besten und mit rund 17 000 Euro pro Quadratmeter teuersten Baugrundstücke Berlins gilt, hatte es in den vergangenen Monaten ein intensives Investorengerangel gegeben. So, als würde Monopoly um das teuerste Grundstück gespielt. Der Liegenschaftsfonds hatte das Gelände international ausgeschrieben, es gab rund ein Dutzend ernsthafter Bewerber. Als aussichtsreichster Konkurrent galt zeitweise die Deutsche Interhotel, die ihr aus DDR-Zeiten stammendes Hotel abreißen und auf dem Gelände ebenfalls eine Mischnutzung mit Läden, Geschäften, Büros und Wohnungen angekündigt hatte. Die Interhotel-Holding wollte schon seit zehn Jahren das Grundstück haben. Als vor einem Jahr das Ausschreibungsverfahren begann, witterten Mitbewerber ungleiche Chancen. Die Münchner Rück aber erwarb das Hotelgrundstück und will es in ihr Neubauprogramm einbeziehen. Ob noch ein Hotel Platz finden könnte, wollte MEAG-Sprecher Josef Wild gestern nicht ausschließen. Die Ausschreibung hatte von den Bewerbern eine „großstadtbezogene Lösung in gesamtstädtischem Interesse“ verlangt. Dass der Straßenblock geschlossen, der kleine Platz demnach vollständig bebaut werden sollte, war längst beschlossene Sache. Der Senat hatte dem Bezirk vor zwei Jahren die Planungshoheit entzogen. Senatsbaudirektor Hans Stimmann betonte, das Projekt folge der „kritischen Rekonstruktion“, die auf historische Baufluchten Rücksicht nimmt.

Der frühere Baustadtrat von Mitte und heutige Kultursenator Thomas Flierl (PDS) bezeichnete es vor rund zwei Jahren als „Sünde, den vorhandenen Platz an der wichtigsten Kreuzung Berlins zu zerstören“. Damit werde die Friedrichstraße nur noch als Schlucht wahrgenommen.

Christian van Lessen

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