zum Hauptinhalt
Die Liebe des Lebens zu finden, nur einer der Wünsche...

© Doris Spiekermann-Klaas

Unter der Linde: Wunschbaum im Volkspark Friedrichshain

Eine japanische Tradition ist in Berlin angekommen: Julie Marchewka hat aus einer Linde im Volkspark Friedrichshaineinen einen "Wunschbaum" gemacht. Menschen können ihre sehnlichsten Wünsche aufschreiben, auf die Äste hängen - und hoffen, dass sie in Erfüllung gehen.

Fast immer stehen Menschen unter diesem Baum. Seit Mitte Juli ist die unscheinbare Linde am Rande der Grillwiese zum Star des Volksparks Friedrichshain geworden. An ihren tief hängenden Zweigen tanzen und rascheln hunderte bunte Zettel im Wind. Die Parkbesucher können gar nicht anders: Das müssen sie sich aus der Nähe ansehen. Zuerst schlendern sie unter dem Baum hindurch, den Hals im Nacken. Dann strecken sie ihre Hände in die Zweige und fangen die bunten Zettel ein, um ihre Botschaften zu entziffern.

Wünsche aufschreiben, Zettel hängen lassen

„Ein Holzschwert und ein Schild“, steht da, „Den Mann fürs Leben“ und „Dass Mama keine Kopfschmerzen hat“. Und natürlich den Weltfrieden. Dieser Baum ist ein Wunschbaum. So steht es auf einem Beutel, den jemand um den Stamm gewickelt hat. Darin stecken Zettel und Schnüre und manchmal auch ein paar Buntstifte. Sie laden die Menschen ein, ihre Wünsche aufzuschreiben und in die Äste des Baumes zu knüpfen – so wie es in Japan Tradition ist.

Etwas abseits sitzt eine junge Frau mit langen braunen Haaren. Genüsslich beobachtet sie das Treiben unter dem Baum, der irgendwie „ihr“ Baum geworden ist – auch wenn sie das so nie sagen würde.

Die Frau hinter dem "Wunschbaum"

Julie Marchewka kann es selbst kaum glauben. Überwältigt sei sie, wie gut ihre Idee mit dem Wunschbaum von den Parkbesuchern angenommen wird. Was sie am meisten überrascht habe: „Das waren alles ernst gemeinte Wünsche“, sagt sie. Keiner machte sich einen Spaß daraus.

Die Idee mit dem Wunschbaum geisterte der 26-Jährigen schon lange im Kopf herum. In ihrem Blog „Julies schöne neue Welt“, in dem sie über ihre Hobbys und Lieblingsorte in Berlin schreibt, machte sie die Aktion schließlich publik und lud ihre Leser ein, sich zu beteiligen. Diese teilten die Aktion in sozialen Netzwerken im Internet und helfen Marchewka jetzt sogar bei der Pflege des Baums. „Er soll ja nicht vermüllen“, sagt sie. Alle paar Tage schaut sie selbst vorbei, räumt auf, steckt neue Zettel in den Beutel. Sie habe schon immer ein Faible für Streetart und Guerilla Gardening gehabt, sagt sie. Solange es ohne Sachbeschädigung ablaufe.

Julie Marchewka passt auf ihren Wunschbaum auf, füllt die Zettel auf und räumt den Müll weg. Das Wetter macht es ihr schwierig. Aber so kommen ständig neue Wünsche hinzu.
Julie Marchewka passt auf ihren Wunschbaum auf, füllt die Zettel auf und räumt den Müll weg. Das Wetter macht es ihr schwierig. Aber so kommen ständig neue Wünsche hinzu.

© Doris Spiekermann-Klaas

Solange es sauber bleibt, duldet es auch das Grünflächenamt

Bestimmt tausende Wunschzettel hingen über die vergangenen Wochen an dem Baum, schätzt Julie. Wind und Wetter schaffen auf natürliche Weise immer wieder Platz an den Zweigen. Julie Marchewka muss aufpassen, dass alles ordentlich bleibt, denn der Bezirk ist nicht begeistert. Das zuständige Grünflächenamt habe alle Hände voll zu tun, sagt Umweltstadtrat Hans Panhoff. Man könne sich nicht auch noch mit der Beseitigung von Wunschbaum-Überresten befassen. „Aber wenn es nicht aussieht wie eine Müllsammelstelle, werden wir es dulden“, sagt Panhoff.

Den Anfang machte Julie Marchewka selbst mit ihrem größten Wunsch: ein Studienplatz in Psychologie. Seit sechs Jahren wartet sie darauf. In diesem Semester könnte es tatsächlich klappen. Hat der Baum ihr das ermöglicht? Julie Marchewka lacht. Mit Aberglauben habe das nichts zu tun, sie sei keine Esoterikerin. „Ich glaube nicht, dass in dem Baum ein Geist wohnt oder so.“ Es geht darum, dass sich die Menschen ihre Wünsche bewusst machen und aufschreiben. „Es geht um die Geste.“

Lebenslust und Liebesfrust

Die schönsten Wunschzettel fotografiert sie und veröffentlicht sie auf ihrem Blog. Vor allem die Kinderwünsche haben es ihr angetan. Das Star-Wars-Lego-Set steht ganz hoch im Kurs. „ Dass Papa sich nicht mit Katja streitet“. „Dass Berlins Naturoasen erhalten bleiben.“ „Dass die Eltern mehr Zeit zum Spielen haben.“

Die Erwachsenen sind mit ihren Wünschen oft weniger konkret. Zwischen den Klassikern – Glück, Zufriedenheit, Gesundheit für die ganze Familie, die große Liebe, schönes Wetter und einen Lottogewinn – finden sich aber auch „echte Perlen“, findet Julie. Drei junge Frauen wollen noch viele schöne Tage mit ihren Freunden verbringen, aber Markus hätte lieber Pommes zum Mittagessen. Zwei Jugendliche wollen für immer Freunde bleiben. Eine Freundin soll bald wieder gesund werden und ein Sohn die richtige Entscheidung treffen.

Manche Wünsche sind mit Namen unterschrieben, andere Zettel sind scheu zusammengefaltet. Man findet Dramen und Komödien zwischen diesen Zweigen, Weisheiten und Ängste, Lebenslust und Liebesfrust, Schönschriften und Rechtschreibfehler. Wer einmal mit dem Lesen angefangen hat, kommt von der Wunschzettel-Lektüre so schnell nicht mehr los. Auch Julie Marchewka sagt, sie sei jetzt „angefixt“ von so viel Interaktivität. Nächstes Jahr will sie wieder einen Wunschbaum suchen. So einen, mit tief hängenden Ästen. Denn so wie ihre Linde muss ein guter Wunschbaum aussehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false