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Berlin: Unter falscher Flagge

Scientology geht jetzt verdeckt auf Mitgliederfang. Gesundheitssenatorin Lompscher warnt vor Psychiatrie-Ausstellung

Der Mann verteilt im Regen seine Handzettel. „Einfach mal reinschauen“, sagt er. Hinter ihm an der Fassade des Hauses in der Joachimsthaler Straße steht in großen Lettern „Psychiatrie – Tod statt Hilfe“. 14 Stellwände zeigen Bilder und Texte, die belegen sollen, dass in Psychiatrien Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden und ihnen Gewalt angetan wird. Es ist nicht ersichtlich, dass die Ausstellung von Scientology organisiert ist.

Die Ausstellung mit einer Mischung aus CNN-Nachrichten und politischen Dokumentationen vermittelt einen Eindruck exklusiver Aufklärung. Eine ernste, seriös wirkende Männerstimme führt durch die angeblichen Abgründe in den Kliniken. Über die in dieser Woche in der Joachimstaler Straße eröffnetete Ausstellung äußerte sich auch die Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz besorgt. Katrin Lompscher (Linkspartei/PDS) warnt, dass „die seelische Notlage von Menschen zum Mitgliederfang“ ausgenutzt werde. Denn wer am Ende des Rundgangs angekommen ist, wird nach seinem persönlichen Eindruck gefragt. Man sei an den Rückmeldungen der Besucher interessiert, heißt es.

Als Veranstalter genannt wird nicht Scientology, sondern eine „Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte“, ein Verein unter dem Dach der Organisation. „Erst gibt es das Medikament, dann erfinden sie die Krankheit dazu“, erklärt eine Mitarbeiterin das angebliche Unheil der Psychiatrie . Als Beleg sind auch ein „Spiegel“-Titelbild und das Buch des Spiegel-Autors Jörg Blech „Die Krankheitserfinder“ auf den Stellwänden abgedruckt.

Die Fälle von jugendlichen Amokläufern in den USA werden ebenso mit dem „System Psychiatrie“ begründet wie der Holocaust. Die Ausstellung bezeichnet Psychiater, als „die Männer hinter Hitler“, die erst die NS-Rassenideologie ermöglicht hätten. Die Bilder in der Ausstellung erreichen offenbar ihr Ziel. Etwa bei einem älteren Mann. Der steht am Ende des Rundgangs mit Tränen in den Augen. Eine Mitarbeiterin fragt, ob er selbst Erfahrungen mit Psychiatern habe und bittet ihn, den Fragebogen auszufüllen. Das tut er dann auch.

River Tucker

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