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Berlin: Unterm Eis sprießt der Frühling

Genug mit Winter – auf der Suche nach dem Lenz

Jetzt reicht es. Temperaturen am und unter dem Gefrierpunkt, graue Wolken, angedrohte Schneeschauer – genug damit. Mancher Berliner setzt nun auf Frühling, komme was wolle, schließlich hat der meteorologische Frühling bereits am 1. März begonnen. Und wer genau hinschaut, fand gestern auch die ersten Zeichen für den Umbruch. In Severin Kühns Kleingarten am Schöneberger Stadtpark zum Beispiel. Frische Magnolienknospen glänzen da in der hin und wieder durchbrechenden Sonne, Kirsche und Apfel ebenso, und in einer Ecke hat sich zwischen Eisresten das erste Schneeglöckchen den Weg ins Freie gebahnt. „Der Winter ist vorbei“, sagt Kühn mit entspanntem Lächeln. Der Ingenieur steht – in eine Daunenjacke gehüllt – auf seiner Leiter und schneidet die Kirschzweige. Damit hat der 45-Jährige gewartet, bis kein Dauerfrost mehr droht. Gestern war es so weit, jetzt freut er sich auf die Gartensaison, denkt ans Umgraben, Düngen und Laubharken. Um ihn herum zwitschern die Vögel, die Spatzen sammeln Zweige für den Nestbau.

In vorsichtiger Frühlingslaune sind auch die Besucher des Flohmarkts vorm Rathaus Schöneberg. „Die Stimmung ist so gut wie schon seit Monaten nicht mehr“, sagt Buchhändler Fritz Tonn. Er hat den Winter über mit seinem Stand ausgeharrt, an manchen Wochenenden mit nur drei weiteren Händlern. Jetzt stehen hier Dutzende von Ständen, drumherum schlendern Kunden und nehmen sich trotz Temperaturen um ein Grad Zeit, um Trödel, Teppiche und alten Schmuck zu inspizieren. Doppelt so viele Besucher wie noch vor ein paar Wochen sind gekommen, freut sich der Marktleiter, den hier alle nur als Olaf kennen. Er selbst traut den ersten Sonnenstrahlen noch nicht. Den ganzen Winter über hat er im kältefesten Hochseeangleranzug und Moonboots hier seinen Mann gestanden, und solange es nicht stabil über null ist, legt er seinen Gefrierschutz auch nicht ab, sagt er mit skeptischem Blick.

Dass der Frühling nicht nur meteorologisch begonnen hat, sondern auch biologisch, erzählen die fröhlichen Frauen, die sich vorm Café Impala am Nollendorfplatz die Sonnenplätze gesichert haben. „Man spürt die Hormone, die Winterdepression ist wie weggezaubert“, sagt Viola Khodaverdi strahlend. Lange halten sie und ihre Freundin Loreen Kirchhof es an der frischen Luft aber noch nicht aus. Nach einem Milchkaffee ziehen die 35-Jährigen weiter, sich aufwärmen.

Auch in den kommenden Tagen werden, aller Frühlingssehnsucht zum Trotz, die letzten Ausläufer des kältesten Winters seit 21 Jahren zu spüren sein. Bis der Lenz endgültig da ist, dürfte es noch dauern. Die Meteorologen sagen wechselhaftes Wetter vorher. Neben vereinzeltem Sonnenschein sind auch an diesem Sonntag hin und wieder Schneeschauer zu erwarten.

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