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Berlin: Unternehmer glauben an die Zukunft

IHK sieht „erhebliches Potenzial“ – 2005 dürfte das Wachstum aber geringer ausfallen als erwartet

Nach Jahren des wirtschaftlichen Niedergangs in Berlin blickt die Industrie- und Handelskammer (IHK) wieder optimistischer in die Zukunft. „Wir haben die Talsohle durchschritten“, sagte Präsident Eric Schweitzer am Mittwoch bei der IHK-Jahrespressekonferenz. Die Summe der positiven Nachrichten übersteige die Summe der negativen Nachrichten. „Wir haben noch ein erhebliches Potenzial nach oben“, sagte Schweitzer. Dieses Potenzial müsse nun aber auch genutzt werden.

Ähnlich sieht das Jürgen Radomski, Zentralvorstand der Siemens AG. „Berlin ist wie ein Porsche ohne Reifen – wir bekommen unsere PS einfach nicht auf die Straße“, sagte er am Dienstagabend beim Berlin-Wirtschafts-Forum im Ludwig-Erhard-Haus. Selbst Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) stimmte dem zu: „Realität und Potenzial klaffen in Berlin weit auseinander.“ Dies sei das „Grunddilemma, das wir an unserem Standort haben“.

Im vergangenen Jahr war die Wirtschaft in Berlin erstmals nach drei Jahren wieder gewachsen, wenn auch nur leicht um real 0,4 Prozent. „Nun müssen wir daran arbeiten, dass dieses Wachstum stärker wird“, sagte IHK-Chef Schweitzer. Als positives Zeichen wertete er, dass 2004 die Zahl der IHK-Mitgliedsunternehmen auf 185000 gestiegen sei – der höchste jemals erreichte Wert und ein Plus von 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Diese Unternehmensgründungen führen dazu, dass sich das Klima in der Stadt ändert“, sagte Schweitzer.

Auch er musste allerdings einräumen, dass die bisherige Wachstumsprognose für Berlin nur schwer zu halten sein dürfte. Bisher war die IHK für 2005 von 0,5 bis 1,0 Prozent Wachstum ausgegangen. „Das galt aber vor der Absenkung der Prognosen auf Bundesebene“, erklärte Schweitzer. In den vergangenen Wochen hatten zahlreiche Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Wachstumserwartungen für Deutschland nach unten korrigiert. „Wie sich das auf Berlin auswirkt, lässt sich noch nicht sagen“, erklärte Schweitzer. „Aber natürlich leben wir hier nicht auf einer Insel der Glückseligen.“ Optimistisch stimme ihn allerdings, dass das IHK-Konjunkturbarometer nach oben weise: Die Unternehmen beurteilten ihre Situation zunehmend zuversichtlicher und seien auch wieder bereit, mehr zu investieren.

Auch der Ausbildungsmarkt entwickelt sich der IHK zufolge positiv. So gab es im vergangenen Jahr acht Prozent mehr betriebliche Ausbildungsplätze als im Vorjahr. Auch die Zahl der Ausbildungsbetriebe stieg deutlich: von 5272 auf 5437 – so viele wie noch nie.

Sorgen bereitet der IHK allerdings die schlechte Vorbildung der Ausbildungsplatzbewerber. „50 Prozent der Berliner Schüler sind ohne Hilfsangebote nicht ausbildungsfähig“, kritisierte Schweitzer. Dies habe eine Untersuchung der Bundesagentur für Arbeit unter Schulabgängern ergeben. Oft fehlten elementare Kenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen. Daneben mangele es aber auch an den nötigen sozialen Kompetenzen. Schweitzer berichtete aus seinem eigenen Unternehmen Alba von einem Bewerber, der nicht zum Vorstellungsgespräch kommen wollte, weil ihm eine halbe Stunde Anfahrt zu weit war. Ein anderer Kandidat habe seine Bewerbung auf Butterbrotpapier geschrieben. „Ich will das nicht den Jugendlichen vorwerfen“, sagte Schweitzer. „Das hat etwas zu tun mit Erziehung zu Eigenverantwortung und mit Bildungspolitik.“

Auch die Haushaltspolitik des Senats kritisierte die IHK. So sei die Investitionsquote der Stadt nach wie vor zu gering. Von den im Haushalt ausgewiesenen zwei Milliarden Euro seien nur 1,1 Milliarden tatsächliche Investitionen, erklärte IHK-Hauptgeschäftsführer Eder. 200 Millionen Euro würden hingegen für den Abriss von Plattenbauten eingesetzt, auch könne der Zuschuss an die BVG in Höhe von 420 Millionen Euro nicht wirklich als Investition gerechnet werden. Darüber hinaus seien 300 Millionen Euro, die für Investitionen eingeplant waren, gar nicht ausgegeben worden. Eder plädierte dafür, die 265 Millionen Euro, die Berlin durch die Hartz-IV-Transfers einspare, für Investitionen auszugeben. Darüber hinaus forderte die IHK weitere Privatisierungen, eine schnelle Entscheidung für den Flughafen BBI und einen weiteren Bürokratieabbau.

Siemens-Vorstand Radomski ging noch weiter: Er schlug vor, ähnlich wie auf Bundesebene eine „Agenda 2010 für Berlin“ zu entwickeln – mit konkreten Zielen und klaren Verantwortlichkeiten. „Abwarten nach dem Motto ,Die Zeit wird es schon richten’ bringt uns nicht weiter“, sagte Radomski.

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