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Ein Angler an der Spree in Berlin-Charlottenburg.

© imago/Schöning

"Urban Angling" in Berlin: Ein Hobby mit Haken

Man trifft sie an Spree und Landwehrkanal: die Stadt-Angler. Aber dürfen sie denn hier überhaupt fischen? Und wenn ja – was fangen sie denn so? Ein Blick ins Netz.

Tim Pankalla steht am Kupfergraben, ihm gegenüber die Baustelle des Stadtschlosses. Links und rechts zwei Kräne. Zu seinen Füßen ein Nebenarm der Spree. Der Kupfergraben ist kein romantischer Ort – dennoch kommt Pankalla nach seiner Arbeit gern hierher, stellt sich ans Geländer, ignoriert die Touristen, die an ihm vorbeiziehen, und wartet. Worauf? Darauf, dass einer anbeißt. „Vielleicht ein Hecht“, sagt der 20-Jährige. Pankalla ist leidenschaftlicher Angler und unter der Woche, wenn er keine Zeit hat, in die Natur zu fahren, ist der Kupfergraben einer seiner Lieblingsorte.

„Steet Fishing“ oder „Urban Angling“ nennen manche das, damit sich das auch schön nach Trend und Szene anhört. Dabei zeigen schon historische Fotos, wie Männer auf den großen Fang mitten in Berlin lauern. Auch Heinrich Zille hat ein paar „Jörn“ gezeichnet, wie sie im Trüben fischen.

Alles, was Tim Pankalla für sein Hobby braucht, sind Angel, Kescher und ein paar Köder. Statt Stiefel, Hut und Anglerweste trägt er Turnschuhe und T-Shirt. Schließlich kommt Pankalla gerade von der Arbeit. In seinem Job als Anlagenmechaniker herrscht zwar kein Anzugzwang, in dem klassischen Angler-Outfit sollte er dort dennoch nicht aufschlagen.

Kann man den Fang später essen?

Doch wie kommt jemand auf die Idee, heutzutage mitten in der Großstadt zu angeln? Ist das überhaupt erlaubt – und kann man den Fang später essen?

Pankalla grinst. Die Fragen, ob man mitten in Berlin angeln dürfe, hört er oft. Meistens von Touristen. Und „ja“, sagt er, „mit dem richtigen Anglerschein und dem Nachweis der amtlich bestandenen Fischerprüfung ist das erlaubt.“ Die Jahreskarte zum Angeln in Spree und Umgebung kann man sich beispielsweise beim Berliner Landesanglerverband oder bei der Köpenicker Fischervereinigung ausstellen lassen. Und das sollte man auch tun: Denn wer die Erlaubnis nicht hat, der begeht eine Ordnungswidrigkeit und die kann teuer werden. Bis zu 5000 Euro kostet das Vergehen nach Angaben der zuständigen Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.

Aber auch mit einem amtlichen Schein darf man in der Spree nicht einfach seine Angelrute auswerfen. Zu beachten sind beispielsweise die Schonzeit und die Größe der Fische. „Einen Karpfen, der länger ist als 35 Zentimeter, darf ich mitnehmen“, sagt Pankalla, „ist er kleiner, muss er wieder rein.“ Aale müssen mindestens 50 Zentimeter lang sein. Beißt eine Barbe an, muss sie immer in die Freiheit entlassen werden.

Warum das so ist? „Das sogenannte Mindestmaß dient dazu, dass die Fische Zeit haben, geschlechtsreif zu werden“, erläutert Alexander Seggelke vom Deutschen Angelfischerverband in Berlin. In der Schonzeit können die Tiere dann in Ruhe laichen, also Eier legen. Schonzeit und Mindestmaß sollen also sicherstellen, dass die Fische sich ausreichend vermehren und ihr Bestand in den Gewässern erhalten bleibt.

„Ein Naturerlebnis ist der Kupfergraben dann doch nicht“

Eine halbe Stunde ist vergangen. In dieser Zeit hat Pankalla bereits zwei Mal den Platz gewechselt und seine Angel erneut ausgeworfen. Bisher kein Biss. „Raubfischangeln nennt man das“, sagt der 20-Jährige. Das heißt, anders als beim sogenannten „Friedfischangeln“ setzt Pankalla sich nicht gemütlich in den Campingstuhl und lockt die Fische mit kleinen Leckerbissen an, sondern er sucht sie gezielt. „In der Großstadt macht es für mich keinen Sinn, zu lange an einer Stelle zu bleiben“, sagt Pankalla, „ein Naturerlebnis ist der Kupfergraben dann doch nicht.“

Angefangen mit dem Angeln hat er, als er acht Jahre alt war. Seine Familie machte damals einen Ausflug zum See. Da es an dem Tag recht frisch war, konnte er jedoch nicht baden. Gelangweilt bastelte er aus einer dünnen Schnur und einem Stück Metall eine Angel und spielte Fischer. Angebissen hat damals nichts, Spaß machte es ihm trotzdem. Nach dem Ausflug überredete er seine Eltern, weiter fischen zu dürfen und sie meldeten ihn im Anglerverein Kiessee im brandenburgischen Rangsdorf an.

In dem Verein ist Tim Pankalla bis heute – wie viele Fische er bis jetzt gefangen hat, kann er nicht sagen. Aus dem Kupfergraben hat er jedenfalls schon Hechte, Barsche und Zander gezogen. Mit nach Hause genommen und gegessen hat er die Tiere jedoch nicht. Das liegt jedoch nicht daran, dass ihm die Wasserqualität nicht behagt. „Ich habe in der Spree bereits zwei Störe gesehen“, sagt er, „und die leben tatsächlich nur in sehr sauberen Gewässern.“

Dass man die Fische aus der Spree auf jeden Fall essen kann, bestätigt auch Verbandsmann Alexander Seggelke. In der Vergangenheit seien zwar immer wieder Schadstoffe ins Wasser gelangt. Durch verbesserte Klärung und Auflagen hat sich die Wasserqualität der Spree jedoch stark verbessert. Das zeigen auch regelmäßige Untersuchungen der Behörden. „Der gelegentliche Verzehr von selber geangeltem Fisch aus der Spree ist daher unbedenklich.“

Und was hat Tim Pankalla denn nun davon abgehalten, Barsch und Hecht daheim in die Pfanne zu hauen? Das lag an ihren Maßen. „Die meisten Fische, die ich gefangen habe, waren einfach zu klein“, sagt er. Sie hatten das Mindestmaß noch nicht erreicht – oder schienen ihm zu viele Gräten zu haben. Nachdem er die Tiere am Haken hatte und ein Selfie mit ihnen gemacht hat, ließ er sie wieder frei.

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