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Zu den mehr als 160 Künstlern die sich in "The Haus" austoben durften, zählen Veit und Jakob von der Crew Innerfields.

© Kitty Kleist-Heinrich

Urban Art: "The Haus" zeigt Streetart in einer alten Bank

Atombomben statt Akten: Bevor es abgerissen wird, beherbergt ein Schöneberger Bankgebäude das Urban-Art-Projekt „The Haus“.

Vom bürgerlichen Innenleben des Bürogebäudes ist kaum noch etwas zu erkennen. Wo früher Schreibtische standen, hängen jetzt Pferde von der Decke, statt Akten stehen Atombomben im Regal, aus der Vitrine ragt ein Panzerrohr – alles aus Plastik natürlich und versammelt in einem Raum von „The Haus“. Das Urban-Art-Projekt des Künstlerkollektivs Die Dixons öffnet seine Türen am 1. April in der Nürnberger Straße in Schöneberg. Die Dixons sind Kimo und seine Freunde Jörni und Bolle, die alle lieber beim Vornamen genannt werden möchten. Für „The Haus“ vereinten sie 165 Künstler aus aller Welt. Diese durften sich in 108 Räumen auf fünf Stockwerken austoben. Die meisten haben ihre ersten Konzepte über Bord geworfen, als sie das Gebäude gesehen haben, sagt Kimo. Regeln gab es nur zwei: kein Feuer und keine politischen Provokationen.

Seit Anfang Januar arbeiteten die Künstler vor Ort. Geld gibt es nicht, dafür viel Gesponsertes von verschiedenen Firmen: Hotelzimmer, Bier und Arbeitsmaterialien. „Mit Planung und allem haben wir hier insgesamt einen Monat gearbeitet“, sagt Veit von der Künstlergruppe Innerfields. Er und seine zwei Mitstreiter haben einen Raum im dritten Stock gestaltet. Hier erzeugen sie mit Spiegeln und Wasser optische Verwirrungen. Licht ins Dunkel bringt nur das Leuchten des Smartphones – ein Element, das in den Arbeiten von Innerfields immer wieder auftaucht.

Das Bankgebäude wird im Sommer abgerissen

Ein Stockwerk tiefer haben Drink and Draw gleich vier Räume gestaltet. Das Kollektiv hat ursprünglich Computerspiele designt. Nun haben sie ihre virtuellen Welten ins Analoge übersetzt: Von einem morbide anmutenden Wald muss sich der Besucher seinen Weg durch einen düsteren Tunnel voller Stofflianen bahnen. Schließlich wähnt er sich in einem Zauberwald wie aus einer LSD-Halluzination,fantastische Wandillustrationen und Baumkronen leuchten im Schwarzlicht.

„The Haus“ befindet sich in einem ehemaligen Bankgebäude, das im Sommer abgerissen wird, um einem Neubau mit Eigentumswohnungen und Gewerbeflächen zu weichen. Der Kölner Investor Pandion suchte für die Zeit bis zum Abriss nach einem Zwischennutzer. Die Dixons präsentierten ihre Idee und handelten einen Deal aus. Angeblich profitieren beide Seiten davon: Pandion macht zwar keinen direkten finanziellen Gewinn, das Kunstprojekt wertet aber das Image des Standorts auf – die neue Wohn- und Gewerbeimmobilie wird auf der Webseite des Unternehmens bereits mit dem Namen „Pandion The Haus“ beworben.

Mit dem Abriss des Gebäudes verschwinden auch die Kunstwerke – für immer. „Hier wird nichts mit rausgenommen“, sagt Kimo, „das wird alles zerstört.“ Weh tut es ihm nicht, denn das Temporäre gehört zum Konzept der Ausstellung und auch zur Streetart, die außerhalb solcher Projekte meist illegal stattfindet. Lediglich Fotografien werden von den aufwendigen Installationen und Malereien zeugen. Zwar sind Handybilder für Besucher strikt verboten, es gibt aber „The Buch“, einen Fotoband, der die Ausstellung dokumentiert. Mit dem Kauf des Buchs lässt sich die Smartphone-Anwendung „The App“ aktivieren“. Die macht sogar eine 360-Grad-Ansicht der Räume möglich.

Klaus Lederer ist Schirmherr

Die Schirmherrschaft für das Projekt hat Kultursenator Klaus Lederer (Linke) übernommen. Er wolle damit „anregen, ‚neue‘ Kunstformen wie die Streetart in geeigneter Weise präsentierbar zu machen“, sagt sein Sprecher Daniel Bartsch. Öffentliche Finanzzuschüsse gab es nicht. Doch die Künstler freuen sich über den Rückhalt. Der Kultursender Arte hat sich bereits einen Raum reserviert, in dem Filme über Urban Art und Streetart gezeigt werden sollen. „Ein echter Ritterschlag für uns“, sagt Kimo von den Dixons. Er erhofft sich in Zukunft mehr Zusammenarbeit mit Investoren und mehr Möglichkeiten zur künstlerischen Zwischennutzung. „Graffiti, Streetart, das macht Berlin aus“, betont er. „Dass die ihre Bürotürme hochziehen, können wir nicht verhindern. Aber wir können aus der Zeit davor das Beste machen.“ Anfragen für weitere Projekte gebe es schon.

Am Sonnabend schlägt aber erst einmal die Stunde für „The Haus“. Die Kunstwerke sind schon größtenteils fertig, die Veranstalter müssen vor der Eröffnung noch putzen, Ordnung machen, Bürokratisches erledigen – ein bisschen Bürgerlichkeit gehört eben dazu.

„The Haus“, Nürnberger Straße 68. Vom 1. April bis zum 31. Mai. Eröffnung am Sonnabend um 17.15 Uhr mit Ansprachen von Kultursenator Klaus Lederer und den Dixons. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 20 Uhr. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Infos unter www.thehaus.de.

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