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Buntes Willkommen. Wer aus der Tiefgarage unterm Luisenplatz auftaucht, wird derzeit mit einer Blumenpracht überrascht. Die anonyme Guerilla-Gärtnerin „Elli“ hat sich vorgenommen, den zentralen Platz aus seiner Grau-Starre zu wecken. Fast täglich kümmert sie sich um die vielen Beete und Pflanzkübel, die sie mithilfe einiger Sponsoren angelegt hat. Die Stadt freut sich über das Engagement.

© Manfred Thomas

Urban Gardening in Potsdam: Eine geheimnisvolle Gärtnerin namens Elli

Potsdams Innenstadt blüht auf, die Facebook-Gemeinde ist entzückt. Die Frau mit dem grünen Daumen aber bleibt lieber im Hintergrund.

Sie muss sogar Erde aufgeschüttet haben. Zumindest an den gitterartigen Wänden der Eingänge zur Tiefgarage hätten die Pflanzen sonst nichts, worin sie wurzeln könnten. Doch genau dort auf dem Luisenplatz wird seit Wochen durchgeblüht: Anwohner, Passanten und Geschäftsleute vor Ort freuen sich über diese Blumenpracht, die einer anonymen Gärtnerin zu verdanken ist. Selbst im Internet, auf Facebook, wird dieses Musterbeispiel an sogenanntem Urban Gardening diskutiert – privater Gartenbau im öffentlichen Stadtgebiet, wie es beispielsweise in den Berliner Ortsteilen Wedding gibt oder auch in Kreuzberg. Hunderte von Likes hat der Hinweis auf dieses Engagement bekommen: „Der Luisenplatz wird immer schöner“, heißt es in einem Kommentar im sozialen Netzwerk. „Eine super Idee, sollten mehr Menschen machen“, schreibt ein anderer.

Morgens, gegen 5 Uhr, ist sie unterwegs und gießt die Blumen

Die geheimnisvolle Gärtnerin indes, die sich fast täglich um die vielen Beete, Kübel und bepflanzte Randstreifen kümmert, bekommt man selten zu Gesicht. Meistens sehr früh am Tag, gegen fünf Uhr, und wiederum spät abends sei sie unterwegs, um die Blumen zu gießen, heißt es. Das Wasser kommt mittels Steigrohr aus zwei Hydranten am Platz. „Elli“, wie sie genannt wird, habe ordnungsgemäß den Zugang beantragt, das Wasser werde gezählt und von ihr bezahlt, sagt Barbara Schubert vom Café „Franz“ in der Allee nach Sanssouci. Sie hatte für die Gärtnerin bereits im Herbst die nötigen Anträge beim Grünflächenamt der Stadt gestellt, beim ersten Großeinkauf geholfen. „Und dann legten wir einfach los“, sagt sie.

In dieser Woche machte „Elli“ in ihrer Blumengießroutine offensichtlich eine Pause, die starken Regengüsse hatten ihr dieses abgenommen. „Sie ist eine kleine Frau mit langen, blonden Rastalocken, in Gummistiefeln und mit Arbeitshandschuhen“, sagt Stefan Lindemann. Der Direktor des Hotels am Luisenplatz kennt „Elli“ zumindest ein wenig. Sie verbringe viel Zeit mit dem Gärtnern, „das ist ja fast ein Fulltimejob“, sagt er. Dabei gehe sie noch einer anderen Tätigkeit nach. Die Frau, die aus Costa Rica stammt und mit ihrem Mann am Luisenplatz wohnt, habe den ehemals tristen und grauen Platz in eine Blühoase verwandelt, schwärmt Lindemann. Im Frühstücksraum des Hotels hängen noch Fotos, die zeigen, dass der Platz vor etwa 100 Jahren ähnlich mit üppiger Vegetation ausgestattet war. „Bevor ,Elli’ hier was machte, war da nichts, unter den Linden höchstens etwas Gesträuch“, so Lindemann.

Fußgänger bleiben stehen - und staunen

Und tatsächlich erhält der Luisenplatz durch die neue, blumige Bepflanzung ein wenig mediterranes Flair, welches ihm guttut. Immer wieder bleiben Passanten davor staundend stehen: Rosenbüsche prangen in voller Blüte neben kletternder Klematis, Trompetenblumen und Rittersporn, dazwischen immergrüne Bodendecker und Kissen bunter Petunien. „Am Anfang ist auch mal etwas eingegangen, was da nicht so hingepasst hat, aber jetzt sieht es richtig gut aus“, sagt Benjamin Kortyka, der gleich am Brandenburger Tor einen Blumenladen hat. „Sie ist immer besser geworden“, sagt der Florist. Aber auch er kennt die Gärtnerin nicht persönlich. „Sie will im Hintergrund bleiben“, sagt Bianca Köhn vom „Herrenzimmer“, gegenüber in der Brandenburger. Sie und ihr Mann wollten die Gartenaktion unterstützen und spendeten Geld für einen Pflanzkübel. Es gibt mittlerweile viele Sponsoren, darunter Gastronomen, die ansässige Sparkasse, erkennbar an kleinen Namensschildchen zwischen den Pflanzen. Manchmal drücken ihr Passanten einfach Geld in die Hand für ihr Projekt. Denn in der Regel bezahle „Elli“ alles aus eigener Tasche. Und es sieht gut aus, was auf dem Luisenplatz jetzt wächst. Sie hat rote Ziegelsteine zu kleinen Mauern aufgeschichtet, damit die aufgeschüttete Erde nicht abgetragen oder weggeschwemmt wird. An manchen Stellen ist ein zarter Drahtzaun als Stütze angebracht. Die schnellwachsenden Kletterpflanzen und Rosenbäumchen bekamen Rankhilfen oder wurden angebunden.

Bereits im vergangenen Herbst und Winter habe sich „Elli“ um den Platz gekümmert, sagt Lindemann. Sie habe unter anderem die dort aufgestellten Weihnachtsbäume geschmückt. Künftig würde sie sehr gerne Bänke aufstellen, damit es am Brunnen endlich Sitzgelegenheiten gibt, sagt der Hotelchef. Auf Facebook wurden indes Befürchtungen geäußert, dass „irgendein Bürohengst der Stadt auf den Trichter kommt, dass das aus irgendeinem Grund super gefährlich ist und entfernt werden muss“, heißt es in einem Kommentar. Das Gegenteil ist der Fall: „Wir begrüßen das sehr“, sagte Stadtsprecher Markus Klier. Solche Initiativen seien willkommen, sollten aber mit dem Grünflächenamt der Stadt abgesprochen werden. Etwa 33 solcher Pflanz- und Pflegepartner gebe es derzeit in der Stadt. „Aber die meisten wollen nicht genannt werden und anonym bleiben“, so Klier. Ein schönes Beispiel seien die Blumenbeete zwischen Bürgersteig und Fahrbahn im Holländischen Viertel, die von Anwohnern, Händlern oder Gastronomen betreut werden. Das Grünflächenamt hat derweil vorgeschlagen, beide Protagonistinnen vom Luisenplatz, Barbara Schubert und „Elli“, zum Neujahrsempfang beim Oberbürgermeister einzuladen. „Denn in diesem Ausmaß und dieser Qualität gab es so etwas noch nicht“, heißt es von der Stadt.

Steffi Pyanoe

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