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Hendrik Czakainski zeigt seine dreidimensionalen Wandbilder, die an Satellitenbilder erinnern.

© Doris Spiekermann-Klaas

Urban Spree-Galerie in Berlin-Friedrichshain: Die Stadt von oben gesehen

Die Galerie verbindet Künstlerförderung und Events auf dem Friedrichshainer RAW-Gelände. Eine neue Schau rückt Städte in den Fokus.

Das 21. Jahrhundert gilt als das urbane Zeitalter: Noch nie lebten so viele Menschen in Städten wie heute – und mit ihnen unzählige Perspektiven und Lebensentwürfe. Rund um Großstädte bilden sich Siedlungen, die wild in alle Richtungen wuchern. Der Berliner Künstler Hendrik Czakainski versucht, die Dimensionen menschlicher Siedlungen in vertikalen Wandskulpturen einzufangen. Einige seiner Werke sind nun in der Friedrichshainer Galerie Urban Spree zu sehen.

„Mich hat schon immer fasziniert, Städte beim Landeanflug aus dem Flugzeug zu betrachten: Wie sich die Architektur wie ein Virus durch die Landschaft frisst“, sagt Czakainski. Seine plastischen Bilder ähneln Satellitenbildern. Schnurgerade ziehen sich Straßen zwischen den Häusern hindurch. An den Rändern lösen sie sich plötzlich auf: Chaos trifft auf Ordnung, geometrische Strukturen verlieren sich im Nichts.

Jeder Mensch eine Geschichte

Brüche und Widersprüche stehen im Fokus der Arbeit des 39-Jährigen: Was passiert mit der Architektur, wenn sie zerbricht? Durch Kriege oder Naturkatastrophen etwa? Oder wenn die einfachen, improvisierten Unterkünfte von Arbeitern neben massiven Fabriken stehen? Dabei will Czakainski keine politischen Botschaften senden, sondern eher eigene Geschichten beim Betrachter entstehen lassen.

„Viele Menschen erinnern sich an Episoden aus ihrem Leben – oder sie stellen sich neue Geschichten vor: Wer wohnt dort? Wie wäre es, selbst dort zu wohnen?“ Zum Konzept gehört, dass die meisten Bilder statt einem Namen eine Nummer tragen – die imaginierte Zahl von Menschen, die in der dargestellten Siedlung Platz fänden.

Inspiration findet Hendrik Czakainski auf Asienreisen und in Dokumentarfilmen. Dabei böte auch die Umgebung der Galerie genügend Brüche: Das RAW-Gelände ist für die Galerie Urban Spree Fluch und Segen zugleich. Der raue Charme des ehemaligen Reichsbahnareals ist für viele abschreckend. Berichte über die zunehmende Kriminalität rund um das Gelände würden manch potenziellen Besucher fernhalten, sagt Urban-Spree-Gründer Pascal Feucher. Das RAW-Gelände ist aber auch beliebte Tummelwiese für Musiker und Streetart-Künstler.

„Wir wollen Kunst und Entertainment verbinden“

Diese Verbindung verschiedener Kulturformen ist in der Galerie Urban Spree Konzept. „Wir wollen Kunst und Entertainment verbinden“, sagt Feucher. Gezeigt werden lokale und internationale Künstler, die meist aus der Streetart-Szene stammen. Direkt nebenan schließt sich ein Laden mit Büchern und Siebdrucken an, auch hier in erster Linie selbst veröffentlichte Werke Berliner Künstler. „Uns geht es um kreatives Schaffen, nicht um die Vermarktung“, betont Feucher.

Im oberen Stockwerk befinden sich Ateliers. „Wir laden internationale Künstler ein, die dann hier vor Ort Kunst für die Galerie schaffen“, erklärt Pascal Feucher. Kunstwerke einfliegen lassen und dann an die Wände zu hängen, das will er nicht. „Unser Hauptziel ist es, einen kreativen Schaffungsprozess anzuregen – und dann tolle, authentische Kunst zu zeigen“, sagt er.

Konzerte, Ausstellung und Biergarten

Direkt nebenan veranstaltet Urban Spree Konzerte. Verbunden werden beide Hallen durch einen Biergarten. „Es passiert häufig, dass Menschen für ein Konzert herkommen und dann auf einer Ausstellungseröffnung landen.“ Dieses Zusammenspiel rege auch die Kreativität an: „Das ist das, was viele Künstler immer noch nach Berlin zieht, die unglaubliche Vielfalt an Möglichkeiten.“

Mit diesen Möglichkeiten experimentiert auch Czakainski. Er begann mit 14 Jahren zu malen, auch damals bereits vorwiegend Architektur. Dass er irgendwann den Pinsel gegen andere Materialien austauschte, war für den gelernten Tischler nur konsequent. Skulpturen bieten nicht nur seinen Vorstellungen, sondern auch den Geschichten im Kopf der Betrachter mehr Raum. Verschiedene Blickwinkel geben so auch unterschiedliche Perspektiven des urbanen Zeitalters.

„Switch-Over“, bis 24. November, Di-Sa 12-18.30 Uhr. Urban Spree, Revaler Straße 99. Vernissage heute ab 18.30 Uhr.

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