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Neuer Trend oder 40 Jahre alte Tradition? Schön ist es in jedem Fall.

© Kitty Kleist-Heinrich

Urlaub in der Coronakrise: So bereitet sich ein Campingplatz auf den großen Ansturm vor

Seit Mitte Mai steht bei den Campingplätzen das Telefon nicht still. Alle wollen jetzt Urlaub in der Natur machen. Ein Besuch in der Nähe von Rathenow.

Manchmal ist digital nicht besser, da folgt man lieber den Schildern als Google Maps. Zum Beispiel, wenn man zum Campingpark „Buntspecht“ nach Brandenburg fährt.

Die Navigationsapp schickt einen, von Berlin kommend, nicht nur über endlose Umwege auf Landstraßen (natürlich trotzdem schön: die Felder voller Mohn und Kornblumen!), sondern auf den letzten Metern durch den Wald auch glatt in die falsche Richtung. Ein Zyniker, wer jetzt dächte, dass die Wörter „Brandenburg“ und „digital“ ja ohnehin nicht so gut zusammenpassen.

Endlich angekommen, sieht an diesem Morgen noch alles ruhig aus auf der großen Wiese am See mit den sorgfältig mit Kies aufgeschütteten kleinen Wegen des Campingparks in der Nähe von Rathenow, eineinhalb bis zwei Stunden Autofahrt von Berlin entfernt.

Nur wenige Camper sitzen unter Sonnendächern vor ihren Wohnmobilen, hängen Wäsche auf oder säubern ihr Geschirr an der öffentlichen Spülstation. Doch in den Sommerferien wird hier alles voll sein. Seit Mitte Mai klar war, dass die Campingplätze wieder öffnen dürfen, stand das Telefon nicht mehr still.

[Ärger um illegale Camper am Glienicker See: An Berlins beliebtem Badesee wurde es immer schlimmer - es geht um Feuer, Chemie-Klos, Toilettengang im Wald. Anwohner berichten, die Politik reagiert und sperrt die Wiese. Die Geschichte gibt es im Tagesspiegel-Newsletter für Berlin-Spandau. Kostenlos und in voller Länge hier: leute.tagesspiegel.de]

Noch immer kämen bis zu 40 Anfragen täglich rein, sagt Marcel Lydzius, Sohn des Besitzers, der über den Campingplatz führt. Bis auf ein paar Stellplätze ist bis Ende August alles ausgebucht.

Campen ist längst wieder im Trend

So wie dem „Buntspecht“ geht es derzeit den meisten Campingplätzen in Brandenburg. Das Schlafen in Zelt, Van oder Wohnmobil ist schon seit einer Weile im Trend, nicht nur Rentner, sondern auch gestresste Großstädter und junge Familien zieht es in die Natur.

Die Zahl der Campingurlauber steigt stetig, die Hersteller von Wohnmobilen sollen teilweise mit der Produktion nicht mehr hinterherkommen. Dabei denken wohl die wenigsten noch an das von Neunziger-Serien wie „Die Camper“ geprägte Bild vom solariumgebräunten Proll mit Dosenbier in der Hand. Stattdessen posten unter dem Hashtag #vanlife hippe junge Leute Bilder von ausgebauten Bullis mit Lichterketten und Ethnomusterdecken.

[Wozu in die Ferne schweifen, wenn Berlin und die Umgebung so viel zu bieten haben? Wir nehmen Sie mit auf Ausflüge und geben Tipps. Lesen Sie hier alle Beiträge unserer Sommerserie „Urlaub ganz nah“.]

Und seit der Corona-Pandemie denken gefühlt noch mehr Menschen darüber nach, ihren Sommerurlaub in Deutschland zwischen Klappstühlen und Zeltplanen zu verbringen, statt am Hotelpool in Südspanien. Die Vorteile: Jede Urlauberpartei hat ihren eigenen Wohnwagen, Zelt oder Bungalow, öffentliches Leben spielt sich fast nur draußen ab und die Anreise erfolgt mit dem eigenen Auto statt mit dem Flugzeug. Und man kann sogar sein eigenes Geschirr mitbringen.

Die Abstandsregeln sind kein Problem: Zwischen den Wohnwägen ist ohnehin genug Platz.
Die Abstandsregeln sind kein Problem: Zwischen den Wohnwägen ist ohnehin genug Platz.

© Kitty Kleist-Heinrich

Eindeutige Zahlen für die verstärkte Nachfrage in der Coronakrise gibt es laut Christian Günther vom Bundesverband der Campingwirtschaft in Deutschland nicht. Der Sommer sei immer gut gebucht und in den letzten Jahren habe es ein stetiges Wachstum gegeben.

Fakt sei aber, dass in diesem Jahr viele Anfragen konzentriert auf einmal mit den Öffnungsankündigungen kamen, was die Vertriebsstrukturen vieler Plätze an ihre Grenzen gebracht habe. Dass in irgendeinem Bundesland „gar nichts mehr geht“, sei ihm aber nicht bekannt.

Das trifft auch auf Brandenburg zu – dort gibt es zum Beispiel noch einige freie Plätze beim Erlebniscamping Lausitz. Die Anlage liegt zwar nicht an einem See, dafür gibt es ein angrenzendes Freibad.

Abstandsregeln und Maskenpflicht

Viel von der Pandemie merkt man hier im Campingpark „Buntspecht“ nicht. An der Rezeption und den Sanitäranlagen weisen einige Schilder auf Abstandsregeln und Maskenpflicht hin, zwischen den Waschbecken in der Gemeinschaftsdusche hängen Trennwände.

Die Sanitäranlagen auf dem Campingplatz.
Die Sanitäranlagen auf dem Campingplatz.

© Kitty Kleist-Heinrich

Etwas stolz zeigt Marcel Lydzius auf einen Desinfektionsmittelspender, der vor den Duschen angebracht ist. „Zum Glück haben wir noch eine große Menge davon bekommen, bevor alles ausverkauft war.“ Die Anlage wirkt, als sei sie ohnehin immer klinisch sauber. Versiffte Toiletten wie im Freibad gibt es hier nicht.

Es reicht nach Putzmitteln und Raumspray, Sorte „Caribic“. Zwischen den Bungalows, Zelt- oder Wohnwagenstellplätzen ist ohnehin genug Abstand. Nur das große Festzelt durfte bisher nicht aufgebaut werden.

„Als gäbe es einfach kein Corona mehr“

Anja Reiß ist mit ihrem Mann und ihrer Tochter seit einigen Tagen auf dem Campingplatz, die junge Familie kommt aus Rheinland-Pfalz. Sie haben bisher nicht viel von Einschränkungen mitbekommen. „Es fühlt sich ja auch so an, als gäbe es einfach kein Corona mehr“, sagt sie. „Aber die Regeln sind auch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.“

[Behalten Sie den Überblick: Corona in Ihrem Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihren Bezirk. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de]

Als es am Wochenende geregnet habe, hätten die Platznachbarn in einer großen Runde im Pavillon gesessen, dicht an dicht. Lydzius runzelt die Stirn, das sei natürlich nicht so toll, davon habe er leider nichts mitbekommen. „Will ja niemand, dass das hier zu einem zweiten Ischgl wird.“

Die Krise bereitete anfangs selbst im Camping-Idyll Sorgen

Die Pandemie hatte zu Beginn nicht nur die Campingplatzbetreiber hart getroffen, die fürchteten, ihre Mitarbeiter entlassen zu müssen. Auch die Dauercamper hatten Angst um ihr Sommerdomizil. Am Zaun vor einem perfekt gestutzten Rasen weht eine Brandenburg-Flagge im Wind, vor dem strahlend weißen Wohnwagen ist ein großer Pavillon aufgebaut, in dem sich Küche und Sitzgelegenheiten befinden.

Daneben ein weiterer, kleiner Pavillon mit einem runden Tisch und Stühlen, in den Ecken ein Topf mit saftigem Basilikum. Auf ein paar Kleiderbügeln trocknen T-Shirts. Brigitte bittet herein und entschuldigt sich für die Unordnung.

Seit 2017 kümmert Marcel Lydzius sich um den Platz. am Ferchesarer See und mitten im Naturpark Westhavelland in Brandenburg.
Seit 2017 kümmert Marcel Lydzius sich um den Platz. am Ferchesarer See und mitten im Naturpark Westhavelland in Brandenburg.

© Kitty Kleist-Heinrich

Sie erzählt: Wie jedes Jahr begannen sie und ihr Mann Wolfgang Anfang März, zwei bis drei Wochen, bevor am 1. April die Camping-Saison beginnt, ihren Wohnwagen aus dem Winterschlaf zu holen – Planen aufdecken, putzen, Gardinen anbringen. „Von einem auf den anderen Tag mussten wir dann alles abbrechen“, sagt sie. „Wir hatten wirklich Panik, dass wir dieses Jahr in unserer Wohnung in Rathenow bleiben müssen.“

Der Urlaub auf dem Campingplatz ist Tradition

Umso glücklicher waren sie, als sie im Mai zurück auf den Platz durften. Seit 40 Jahren verbringt das Ehepaar seine Sommer auf dem Campingplatz, den es schon zu DDR-Zeiten gab. Die Kinder sind quasi dort groß geworden, gemeinsam mit den Kindern der Platznachbarn.

Lydzius’ Vater, Paul Störk, kaufte den Campingpark erst viele Jahre nach der Wende, im Jahr 2005, als Projekt für den Ruhestand – mit Camping hatte er zuvor nie etwas am Hut gehabt, erzählt der Sohn. Drei Jahre lang renovierte der neue Eigentümer den heruntergekommenen Platz.

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Heute gibt es neben den gepflegten Sanitäranlagen einen großen Spielplatz mit Piratenflagge, ein Volleyballfeld, ein großes Trampolin, einen kleinen Streichelzoo und Tretboote. Außerdem ein gutes italienisches Restaurant und einen Kiosk mit fast allem, was man für den Urlaub braucht: von Spielzeug über Zeitschriften, Kosmetikprodukte und Bier bis zu Fleisch für den Grill vom Metzger aus der Region.

Seit 2017 kümmert Marcel Lydzius sich um den Platz. Wenn es nach seinen Eltern gegangen wäre, hätte er schon viel früher übernommen. Doch lange wollte er nicht – bis er von seinem Job im Tiefbau in Berlin Rückenprobleme bekam. „Heute kann ich mir keinen schöneren Job vorstellen“, sagt er. „Das ist der Beruf, den ich bis zur Rente machen will.“ Jetzt muss er aber erst mal die Sommerferien überstehen.

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