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Berlin: Ursula Welter (Geb. 1946)

In der roten Phase hat sie sich Bella zugelegt, den Windhund.

Ihr Lachen – ihr Lachen war ungeheuer. „Das ist aufgestiegen wie ein roter Ballon“, sagt die Schauspielerin Sibylle Canonica. Herzhaft, albern, schelmisch, manchmal auch ein bisschen böse.

Rot, damit hat sie vor ein paar Jahren noch mal ein Signal in ihrem Leben gesetzt. Hat sich einen roten Dufflecoat gekauft, einen roten Vorhang aufgehängt, ist in den Mini gestiegen und losgerast. So! Sie hatte ja eine anarchistische Ader, sagt ihr bester Freund Frank Herterich. Sie war ein kleiner Rocker, meint ihre beste Freundin. Als ihr Neffe zum Schrecken seiner Eltern beschloss, Punk zu werden, schenkte sie ihm begeistert die passende Hose. Und in der roten Phase hat sie sich Bella zugelegt, den geliebten Windhund. Sie hatte keine Lust mehr aufs Alleinsein.

Gleich nach der Schneiderlehre in Kassel war sie Ende der Sechziger nach Berlin gezogen, um Bühnen- und Kostümbild zu studieren und später an der Schaubühne zu arbeiten. Schon als kleines Mädchen hat sie ganze Bücher vollgemalt mit ihren Kostümentwürfen. Berlin, das war ihre wilde Zeit. Im Dschungel und im SO36 hat sie getanzt, hat die Künstler lieben gelernt, deren Werke später an ihrer Schwabinger Wand hingen, hat in der Wohngemeinschaft in der Wielandstraße gelebt. Anfang der Achtziger ist sie dann nach München gegangen. Im ummauerten West-Berlin gab’s für die Kostümbildnerin nicht genug zu tun.

Und sie wollte arbeiten! Fürs Theater, dem ihre große Liebe gehörte, aber auch für Film und Fernsehen. Auch wenn sie selber viele Jahre gar keinen Fernseher hatte. Dazu ging sie viel zu gerne aus. Sie hat die Kostüme gebastelt, genäht und gefärbt, hat auf Verdacht was gekauft, wenn sie was Interessantes sah, hat mit Fantasie und wenig Geld ein ganzes Rokokotheater mit Statisten gefüllt, so dass sie echt aussahen. Da war sie ganz genau. Sie hat in Bibliotheken recherchiert, ist quer durch die Republik gezogen, um die Schauspieler auf der Bühne zu erleben, bevor sie sie dann einkleidete. Und sie hat sie alle eingekleidet, Monica Bleibtreu, Katharina Thalbach, Barbara Sukowa, Hannah Herzsprung …

Sie hatte einen hohen Anspruch. Auch bei ihrer eigenen Kleidung – „dezent extravagant“ –, beschreibt sie ein Freund –, bei Möbeln, beim Essen. Selbst bei Dreharbeiten hat sie jeden Mittag für sich und ihr Team gekocht, italienisch, ayurvedisch. Selbst wenn sie, die perfekte Gastgeberin, nur eine Erdbeere servierte, eine feine, versteht sich, tat sie es mit Stil. Wer sich an ihre Tafel setzte, hatte das Gefühl nach Hause zu kommen. Im Krankenhaus hat sie ihren Besuchern Bellini kredenzt.

Nach Berlin ist sie gern zurückgekehrt, um Freunde zu treffen, in Theater zu gehen, in Ausstellungen und in die Paris-Bar, um am Deutschen Theater zu arbeiten. Aber gelebt hat sie doch lieber in München. Da war es ruhiger. Ihr Leben war anstrengend genug, ständig musste sie woanders sein, im Einsatz rund um die Uhr, immer stärker hat sie sich gehetzt, auch aus Angst, keine Aufträge mehr zu bekommen. So zart wie sie war, sie hat das Bayerische gemocht, die Weißwurst und das Weißbier im Wirtshaus, den Witz des Karl Valentin. Über den hat sie mit ihrem Lieblingsregisseur Jo Baier einen Film gemacht.

Sie war ein Familienmensch. Nur dass sie nicht eine, eine eigene, sondern viele Familien hatte. Und viele Kinder, mit denen sie gekuschelt hat, und denen sie später Praktika beim Film verschaffte. Eine Treue ist sie gewesen, hat angerufen und alberne Postkarten verschickt und richtige Briefe mit ihrer großen, runden Schrift geschickt. Noch schwer krank, ist sie zu den Ausstellungseröffnungen und Premieren ihrer Freunde gekommen.

Gekümmert hat sie sich. Kaum hat der Regisseur geniest, schon lag ein Erkältungsbad vor seiner Hotelzimmertür. Ihren Mitarbeitern sollte es gut gehen. Das Kümmern konnte allerdings auch umschlagen: ins Vorschriftenmachen. Da wusste sie ein bisschen zu genau, was gut für andere ist. Für Uschi gab es nur eine Weise etwas zu machen, her way. Als sie sich ein paar Stunden vor ihrem Tod aus dem Krankenhaus in ihre Wohnung zurückbringen ließ, weil sie zu Hause sterben wollte, wies sie den Fahrer des Krankenwagens zurecht, dass er die falsche Strecke nehmen würde.

Ungeduldig ist sie gewesen. Anstrengend. Eigensinnig. Auch in ihrer Spiritualität. Irgendwann hat sie ihre moderne Wohnung nach Feng-Shui-Gesetzen umgekrempelt. Sternzeichen: Löwe, nur nicht unterkriegen lassen. Wie eine Löwin hat sie gekämpft, gesund zu werden.

Im Rampenlicht stehen, das wollte sie nicht, aber einen Preis als Anerkennung ihrer Arbeit, den hätte sie sich gewünscht. So viele Filme hat sie mitgeprägt, „Die flambierte Frau“, „Das Wunder von Bern“, „Stauffenberg“. Vielleicht ist es jetzt, drei Monate nach ihrem Tod, so weit. Für ihre Kostüme für Margarethe von Trottas Kinofilm „Vision“ über Hildegard von Bingen wurde Uschi Welter für den Deutschen Filmpreis nominiert. Die Gewinner werden heute Abend in Berlin bekannt gegeben.

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