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Vor Gericht (Symbolbild).

© dpa

Update

Urteil am Berliner Landgericht: 13 Jahre Haft wegen versuchten Mordes für Berliner Autoraser

Ein 34-jähriger Raser flüchtete 2017 in Berlin-Kreuzberg vor der Polizei - und verletzte eine Mutter und ihr Kind schwer. Nun erging ein hartes Urteil.

Kaum war das Urteil verkündet, stand ein Mann in der letzten Reihe des Saales auf. „Danke für die Gerechtigkeit“, rief er. Tränen standen ihm in den Augen. Er ist ein Verwandter der Opfer, die der Angeklagte auf einer rasanten Flucht vor einer Polizeikontrolle erfasst hatte. Eine 27-jährige Mutter und ihre fünfjährige Tochter wurden 15 Meter weit durch die Luft geschleudert. Der Raser ist des zweifachen versuchten Mordes schuldig, urteilte das Berliner Landgericht am Donnerstag und verhängte gegen Djordje S. eine Strafe von 13 Jahren Haft.

Richter: „Das Mädchen war quasi schon tot“

Der 34-jährige S. wirkte irritiert. Denn der Richterspruch fiel noch härter aus, als von der Staatsanwaltschaft mit elfeinhalb Jahren Haft beantragt. „Es war eine Horrorfahrt, eine Flucht um jeden Preis“, sagte der Vorsitzende Richter Ralph Ehestädt. „Es ist ein Wunder, dass die beiden Geschädigten noch leben.“ Zufällig sei eine Krankenschwester am Unfallort gewesen. „Das Mädchen war quasi schon tot. Die Zeugin hat das Kind durch Mund-zu-Mund-Beatmung zurückgeholt.“

Es herrschte morgendlicher Berufsverkehr, als Sultan A. mit ihrer Tochter Melek am 21. September 2017 in Kreuzberg auf dem Weg zur Kita war. Die Ampel stand für Fußgänger auf Grün, als Djordje S. in einem 3er BMW auf eine Kreuzung an der Oranienstraße zuraste. „400 Meter geradeaus bei roter Ampel“, hieß es weiter im Urteil. Das sei keine Fahrlässigkeit, auf die der Verteidiger plädiert hatte. S. habe nicht ansatzweise darauf vertrauen können, dass es gut geht. „Es war ihm egal.“ Der Angeklagt, der vor einer Polizeikontrolle floh, habe tödliche Folgen billigend in Kauf genommen.

Djordje S. stammt aus Serbien. Sieben Vorstrafen hat er und verbüßte insgesamt rund sieben Jahre Haft. Der Mann sei „straßenverkehrsrechtlich ein Intensivtäter“, so Ehestädt. Und er hielt sich illegal in Deutschland auf. Er war zuletzt im August 2017 abgeschoben worden. Zehn Tage vor dem Unfall war er wieder eingereist. Minuten zuvor wurde Djordje S. beobachtet, wie er mit einer Jack-Daniels-Dose in der Hand aus einer Bar kam und zu einem silberfarbenen BMW wankte.

Als ihn Polizisten wegen Verdachts auf Trunkenheit am Steuer kontrollieren wollten, trat Djordje S. auf das Gaspedal. Er hatte keinen Führerschein. Er war illegal eingereist. Ihm drohte Haft auf einer früheren Verurteilung. Und im Auto hatte er geklaute Bohrmaschinen.

Angehöriger: „Der Mann wird andere Menschen nicht mehr verletzen“

„Der Angeklagte wollte entkommen, um andere Straftaten zu verdecken“, sagte der Richter. Das Mordmerkmal der „Verdeckungsabsicht“ liege vor. Ohne Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer sei er mit einem Tempo von mindestens 53 bis 75 km/h ungebremst und „auf Teufel komm raus“ in den Kreuzungsbereich gerast. Nach dem Crash fuhr er einfach weiter. Polizisten fassten ihn kurz darauf.

Djordje S. wurde auch des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, des Fahrens ohne Führerschein, der Unfallflucht und des Widerstands schuldig gesprochen. Zudem verhängte das Gericht eine Führerscheinsperre von fünf Jahren. Weil wegen seiner Trunkenheit von verminderter Schuldfähigkeit ausgegangen wurde, erging keine lebenslange Freiheitsstrafe.

Ein Verkehrsunfall, der zu einem Schuldspruch wegen versuchten Mordes führt – es ist ein seltener Fall. Die Familie der Opfer zeigte sich erleichtert. „Das Urteil ist als ein Signal für die Gesellschaft von Bedeutung“, sagte ein Onkel von Melek. „Der Mann wird andere Menschen nicht mehr verletzen.“

Der Vater des Mädchens sagte, er werde seiner Frau die gute Nachricht bringen. „Sie lacht seit einem Jahr nicht mehr.“ Bis heute leiden Mutter und Tochter erheblich unter den Unfallfolgen. Sultan A. kann sich kaum und nur unter Schmerzen bewegen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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