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Wenn irgendwem zum Valentinstag ein Blumengruß gebührt, dann ganz gewiss der Stadt Berlin.

© dpa/Roland Weihrauch

Valentinstag: Berlin, be my Valentine!

Wer ein echter Berliner ist, denkt am Valentinstag vor allem an seine Stadt. Eine Liebeserklärung an kleine Schwächen, große Baustellen und irgendwie griechische Kontrolleure.

Ach, Berlin. Für dich in deiner Nüchternheit ist der Valentinstag immer noch irgendwas Komisches mit Blumenläden, obwohl sich doch längst alle anderen Gewerbetreibenden mit passenden Ideen schier überschlagen und uns schlechtes Gewissen bis über die Ohren eintrichtern. Aber wer denkt an dich, Berlin?

Hauptstadt: Be my Valentine! Nimm eine Rose. Immer hacken sie auf dir rum, das ist richtig und ja oft wohlverdient – aber bist du dafür verantwortlich? Oder nicht vielmehr die Menschen, die noch nicht ganz begriffen haben, wie diese ihre komische Stadt tickt? Es ist schließlich immer eine Frage der Betrachtung: Denn dafür, dass wir immer sofort alles wollen, bekommen wir ziemlich wenig. Aber ist das nicht doch, global gesehen, ziemlich viel?

Es ist ja zweifellos so, dass Berlin, würde alles in ihm plötzlich reibungslos flutschen, eine unheimliche, streberhafte Erscheinung wäre, eine Art Hamburg ohne Elbphilharmonie. Selbst das Recht, München ein versnobtes Dorf zu nennen, hätten wir damit verwirkt, müssten an der eigenen, nun nicht mehr benötigten Pampigkeit ersticken. Berlin funktioniert – das wurde noch nicht richtig erkannt – nach dem Prinzip Flughafen: Die große Institution (BER) versagt, damit die kleine (Tegel) endlich zeigen kann, zu welchen Leistungen sie fähig ist.

Großbaustellen so alt wie einst Johannes Heesters

Eine weitere Rose speziell für Neukölln. Welche andere deutsche Großstadt dieser Größe hätte nonchalant ausgehalten, dass ihre Verkehrsschlagadern gezielt mit Großbaustellen verstopft werden, deren Lebensdauer an Johannes Heesters erinnert? Welche andere Stadt hätte es geschafft, sich attraktiv zu machen für neue, junge Bewohner, eine blühende Gastronomie- und Kulturszene aufzubauen – während sie gleichzeitig in Großauflage zur international gefürchteten No-Go-Area stilisiert wird?

Eine Rose für das politische Berlin: so liberal! Wir probieren alles aus, auch das unorganisierte Wirrkopftum und manch unappetitliche Idee, die besser unausprobiert bliebe. Aber bei der nächsten Wahl ist es dann auch wieder gut. Wir ertragen mosernd das selbstgewählte Joch in der lustigen Gestalt eines Klaus Wowereit, aber wir lassen uns auch, zumindest bis zur Wahl, seinen ultradrögen Nachfolger gefallen, streng nach dem Motto: Komisch bin ick ooch alleene.

Manche Sachen werden auch von oben absichtlich versiebt. Jeder Fliesenleger, der ein Schulklo richten will, muss danach von einem Hochbaubeamten kontrolliert werden, das ist total irre und klingt irgendwie griechisch, abgesehen davon, dass sie dort viel mehr Hochbaubeamte haben. Aber unsere Macher wollen uns damit einfach vor dem Hochmut bewahren, auf andere Städte und Völker herabzusehen. Berlinisch sein, das wollen sie sagen, heißt, viele Dinge um ihrer selbst willen zu vermasseln.

Auch für diese gelassene Lebensklugheit gibt es eine Valentinsrose: Berlin, wir sind in dich verliebt. Dafür braucht es nicht einmal olympische Ringe.

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