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Schweinemast. Die unschönen Freileitungen sind in Berlin selten geworden. 29 der knapp 300 verbliebenen Stahlgerippe will Vattenfall in diesem Jahr abbauen. Foto: dpa/Jan Woitas

© picture alliance / dpa

Berlin: Vattenfall sägt am eigenen Mast

Der Stromnetzbetreiber will seine Leitungen in die Erde legen – und kämpft mit neuer Konkurrenz.

Es war eine Veranstaltung von Vattenfall bei Vattenfall und über Vattenfall, zu der der Konzern am Mittwoch geladen hatte. Vorne saß der Chef und begrüßte in der letzten Reihe zwei Gäste, die dem Energiekonzern Konkurrenz machen wollen. Sie trugen Herrenzopf bzw. Nasenring: Stefan Taschner von der Initiative „Berliner Energietisch“ und Luise Neumann-Cosel von der Genossenschaft „Bürgerenergie Berlin“. Damit war offensichtlich, dass dieser Jahresausblick der Vattenfall-Stromnetztochter „Distribution“ kein normaler war. Stattdessen präsentierte sich ein Platzhirsch, der einen Revierkampf zu bestehen hat und von einem Volksbegehren gejagt wird.

Um was es geht, illustrierte Unternehmenschef Helmar Rendez mit dem Hinweis, dass ohne funktionierende Stromversorgung auch kein Wasser aus dem Hahn käme und keine Bahn führe. Die Vattenfall- Netzgesellschaft investiere in diesem Jahr 282 Millionen Euro. 70 Prozent des Geldes gehe an Unternehmen aus Berlin und Brandenburg.

Große Posten sind beispielsweise der Ersatz dreier Umspannwerke in Spandau durch ein neues in Gatow für rund 85 Millionen Euro bis 2018. Ein Jahr vorher soll die 35 Millionen Euro teure Erschließung der neuen Europacity nördlich des Hauptbahnhofs abgeschlossen sein. 25 Millionen Euro koste ein neues Umspannwerk in Britz, 35 Millionen die gerade abgeschlossene Erneuerung einer denkmalgeschützten Anlage beim Kraftwerk Reuter, zu deren 560 000 angeschlossenen Kunden auch Unternehmen wie BMW, Siemens und Osram gehören. Für ebenso viel Geld werde eine neue Anlage in Malchow gebaut. Und für gut sieben Millionen Euro sollen im Laufe dieses Jahres 29 Hochspannungsmasten in der Umgebung von Weddinger Autobahnzubringer und Großmarkt Beusselstraße verschwinden. Nach und nach will Vattenfall alle knapp 300 noch vorhandenen Masten aus dem Stadtbild entfernen und durch Erdkabel ersetzen.

Hinter diesen Ankündigungen stecken mehrere Botschaften: Vattenfall fährt das Berliner Stromnetz nicht auf Verschleiß, obwohl der Konzern Ende 2014 die Konzession für dessen Betrieb verlieren könnte. Außerdem müsste ein neuer Netzbetreiber die angeschobenen Projekte weiterführen, was zusätzliches Geld kosten würde – zusätzlich zu jener bisher nur grob taxierten Milliarde Euro, für die Vattenfall das Netz im Ernstfall abgeben müsste. „Wir freuen uns, wenn wir die vorgestellten Projekte nach 2014 als kommunales Unternehmen weiterführen können“, kommentierte Energietisch- Sprecher Taschner die Präsentation. Die Initiative will von Februar an die knapp 200 000 benötigten Unterschriften sammeln, um zum Termin der Bundestagswahl einen Volksentscheid über die Gründung eines kommunalen, sozial geprägten Öko-Stadtwerkes und einer städtischen Netzgesellschaft zu erreichen. Mit 5000 Plakaten solle demnächst dafür geworben werden.

Die Meinungen über den Sinn des – von der rot-schwarzen Koalition zumindest verbal unterstützten – Vorhabens gehen auseinander. „Mit einem großstädtischen Netz können sie keine Energiepolitik machen“, sagt Rendez und verweist auf 300 konkurrierende Stromanbieter in Berlin sowie auf das Versprechen von Vattenfall, jede Solaranlage binnen einer Woche ans Netz zu schließen. Wenn nicht, gibt’s 100 Euro Entschädigung. Und der Gewinn schwanke von Jahr zu Jahr zwischen 10 und 100 Millionen Euro.

Bei der Versorgungssicherheit ist die Sache klarer: Statistisch ist jeder Berliner gut zwölf Minuten im Jahr ohne Strom; real ist es eher ein einstündiger Stromausfall alle vier, fünf Jahre. In der Hälfte der Fälle liege die Ursache bei Vattenfall. Sonst sind es vor allem Bauarbeiten, bei denen Kabel zerstört werden.

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