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Husch, husch. So schnell, wie die 14 000 Radrennfahrer beim Velothon im Ziel am Brandenburger Tor waren, kam man kaum hinterher mit Ausweichen und Anfeuern.

© dpa

Velothon in Berlin: Tausende Radsportfans düsten durchs Brandenburger Tor

Mehr als 14 000 Amateurradfahrer waren beim Velothon dabei. Es ist das zweitgrößte Radrennen seiner Art in Europa. So jubelten den fleißigen Radlern denn auch Hunderttausende zu. Doch nicht alles lief reibungslos bei der Großveranstaltung.

So geht wahre Liebe. „Mein Freund Benedict hat gesagt, er werde mich auf seinem Rad schon sehen, deswegen haben wir keinen Treffpunkt fürs Anfeuern ausgemacht“, sagt die 31-jährige Laura Weiss in der Weite des Flugfeldes Tempelhof. Sehen – hier, in diesem Gewusel aus Schaulustigen und Radrennfahrern? Mehr als 14 000 Teilnehmer am Velothon werden vorbeirasen, Hunderttausende johlen und jubeln ihnen an der Strecke zu, in Berlin, im südlichen Brandenburg und eben hier in Tempelhof. Haben Laura und Benedict da eine Chance? Sie aus den USA, er aus Großbritannien, die sich in Berlin kennen- und lieben lernten.

Da steigert sich das Sirren der Reifen erneut, als eine weitere Welle heranrauscht: Der nächste Pulk ambitionierter Amateurradrennfahrer. Ob der britische Freund der Wahlberlinerin dabei ist?

Gerade noch ist eine Spaziergängerin mit Kinderwagen und zwei Söhnen an der Hand von einer Seite der alten Rollbahn auf die andere gehuscht. Glück gehabt. „Die Fahrer kommen total schnell ran, das unterschätzen die meisten, die sich mit Radrennsport nicht auskennen“, sagt die 66-jährige Rosemarie Hübner aus Buckow, die wiederum ihrem Patenkind Maik Seidel zujubeln möchte. Der kam sogar tatendurstig von Lübeck eigens zum Rennen nach Berlin angeradelt.

Offenbar hat auch eine 73-jährige Frau in Steglitz die Geschwindigkeit falsch eingeschätzt. Sie war gegen 9.30 Uhr an der Schlossstraße Ecke Grunewaldstraße trotz Absperrung auf die Strecke gelaufen und von einem 30-jährigen Radrennfahrer erfasst worden. Beide stürzten, erlitten dabei laut Polizei schwere Verletzungen und kamen in ein Krankenhaus. Auch vier weitere Radler stürzten und wurden verletzt, mussten aber nur ambulant behandelt werden.

Das Velothon ist das zweitgrößte Radrennen seiner Art in Europa.
Das Velothon ist das zweitgrößte Radrennen seiner Art in Europa.

© dpa

Caterina Schaedel vom SCC Berlin ist seit dem ersten Velothon als ehrenamtliche Helferin dabei. Sie hat miterlebt, wie das Rennen 2008 bereits mit 10 000 Teilnehmern begann, wie es zum zweitgrößten Radrennen seiner Art in Europa über 60 und 120 Kilometer heranwuchs – samt Garmin als Hauptsponsor und Charityspendenpartner „Laughing Hearts e. V.“. Ein Wettkampf der Amateure, in den aber mit ProRace Berlin ein Profirennen integriert ist, über eine Strecke von 184,6 Kilometer. Der Arnstädter Marcel Kittel vom Team Argos-Shimano siegt dort in 4:00:06 Stunden, eine Zeit, von der die an Caterina Schaedel vorbeihuschenden Radler wohl nur träumen können.

Die 28-Jährige hatte sich als Streckenposten bereits um 5 Uhr den Wecker gestellt, zwei Stunden später begann der Aufbau auf dem Flugfeld. „Leider ignorieren viele Ausflügler selbst Bitten der Polizei, die Strecke zu verlassen“, sagt Schaedel. „Manche Berliner sind genervt, das ständig was abgesperrt ist für Events – aber ich finde das gerade toll, dass man in Berlin so viel erleben kann“, sagt die Buckowerin Rosemarie Hübner.

Valentina Procopio dagegen, die Freundin des Lübecker Maik Seidel, erzählt amüsiert, dass „bei uns in Lübeck die Leute brav anhalten, wenn was abgesperrt ist“. Sie findet, man hätte die Strecke noch besser präparieren können: Auf dem weiten Flugfeld ist der Kurs nur an einer Seite mit mobilen Zäunen und rot-weißem Band gesichert. Daher laufen und rollen überall Ausflügler auf der Bahn herum. Und die aus dem Autofenster winkende Polizei fährt nur der führenden Truppe vor, Lautsprecheransagen gibt es nicht.

Die Lübecker Anfeuerfraktion sieht jetzt ihren rasenden Maik in quittengelbem Hemd auf schneeweißem Rennrad – er wirft seiner Freundin Handküsse herüber. Und was ist mit der britisch-amerikanischen Freundschaft? Laura Weiss strahlt. Gerade hat ihr Benedict Wallis sie am Rand abgeklatscht, er hat seine Freundin tatsächlich gefunden.

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