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Berlin: Veralteter Rahmen

„Berlin liegt im Norddeutschen Tiefland zwischen Elbe und Oder. Es ist vom Gebiet der ’DDR’ umgeben.

„Berlin liegt im Norddeutschen Tiefland zwischen Elbe und Oder. Es ist vom Gebiet der ’DDR’ umgeben. … Ost-Berlin ist Teil der Weltstadt Berlin.“ Wer glaubt, derart vorsintflutliche Ausführungen nur noch in seinen alten Schulbüchern auf dem Dachboden nachlesen zu können, irrt: Das Zitat entstammt dem noch gültigen Sachkunde-Rahmenplan für die Grundschulen von 1974. Jetzt will Bildungssenator Klaus Böger (SPD) die überholten Vorgaben überarbeiten und erheblich straffen lassen. Diese neuen Mindeststandards sollen dann aber wesentlich verbindlicher und ihre Einhaltung damit auch besser nachprüfbar sein als bisher.

„Outputcontrolling“ heißt das neue Zauberwort seit Pisa. Und nur wer genau weiß, was er „reintut“, kann auch genau festlegen, was hinterher herauskommen soll. Damit dies klappt, soll der bisherige butterweiche, ausschweifende Rahmenplan einem straffen „Kerncurriculum“ weichen. Wenn es nach Böger ginge, würde dieses sogar bundesweit festgeschrieben.

„Es wäre kein Verlust an Eigenständigkeit, gemeinsame Standards festzulegen“, findet der Senator. Im Gegenteil zeuge es doch von Souveränität, wenn nicht jedes einzelne Land bei den Lehrplänen das Rad neu erfinden wolle. Da es aber schwierig ist, alle Kultusministerien auf eine Linie zu bekommen, will er sich zunächst einmal damit begnügen, mit Brandenburg zusammenzuarbeiten. Die gemeinsame Bildungskommission soll deshalb Vorschläge für die Kerncurricula auf den Tisch legen. Den Grundschulbereich will man bis 2004 abgearbeitet haben.

Vor den Fachleuten liegt allerdings eine schwierige Aufgabe. Denn es gilt, nach und nach für alle Fächer und Schulstufen Vorgaben zu formulieren und die Fächer stärker zu verzahnen. Angefangen wird jetzt erstmal bei den Fremdsprachen. Denn hier ist der Druck am größten, weil ab kommendem Schuljahr Englisch oder Französisch verbindlich ab Klasse 3 gelernt werden muss. Bisher war der „fremdsprachliche Frühbeginn“ freiwillig und eher spielerisch. Das Landesinstitut für Schule und Medien (Lisum) hat jetzt den Auftrag bekommen, für die Klassenstufen 3 bis 10 neue Lehrpläne vorzulegen.

Wie es dann weitergeht, ist noch nicht klar. So ist es zurzeit verfrüht, die Rahmenpläne für die gymnasiale Oberstufe zu überarbeiten, weil die Entscheidung über die Schulzeitverkürzung noch aussteht. Wie berichtet, ist die zwölfjährige Variante in Berlin fast vom Tisch, aber eben nur fast. Bevor man den Pflichtstoff festlegt, muss man wissen, ob die Schüler 12 oder 13 Jahre Zeit haben bis zum Abitur. Immerhin steht die Kultusministerkonferenz aber kurz davor, sich auf die neu überarbeiteten „Einheitlichen Prüfungsanforderungen“ (EPA) in Deutsch, Mathematik und Englisch“ zu einigen, womit es für diese Fächer schon eine gemeinsame Linie gibt.

Auch die Rahmenplanreform in der Sekundarstufe I (Klasse 7 bis 10) hat ihre Tücken. Denn hier ist Brandenburg schon allein vorgeprescht, und Berlin kann nicht einfach alles übernehmen, was die Nachbarn vorgegeben haben. Möglicherweise adaptiert man den Hauptteil und ergänzt ihn mit eigenen Bausteinen. Auch dies wäre ein mühseliger Prozess, zumal er für alle Fächer erfolgen muss. Zwar gibt es einzelne Rahmenpläne, die erst jüngst reformiert wurden – wie der für Arbeitslehre. Andere datieren aber noch aus den 60er Jahren oder aus den Siebzigern – wie der zitierte Sozialkunde-Plan, der 1974 verfasst wurde. Viele Rahmenpläne wurden dermaßen von der Entwicklung überholt, dass sie überhaupt nicht mehr zu den aktuellen Schulbüchern passen.

„Eigentlich müsste man die Vorgaben alle zehn Jahre erneuern“, steht für Lisum-Leiterin Alexandra Dinges-Dierig fest. Sie sucht jetzt nach Lehrern, die Lust haben, in Arbeitsgruppen an den neuen Plänen mitzuwirken. Das Betätigungsfeld ist riesengroß, denn auch die Berufsschulen und die Sonderschulen für Lernbehinderte sollen in die Reform einbezogen werden. Dinges-Dierig hält es auch deshalb für notwendig, die Rahmenpläne zu erneuern, weil sonst jeder Lehrer „seinen eigenen Rahmenplan machen muss“. Dies aber sei Zeitverschwendung, zumal die Pädagogen „ihre Kraft für was anderes brauchen“.sve

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