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Berlin: Verbraucherverbände kritisieren unklare Informationspolitik und eigensinnige Abbuchungspraxis

Brutto- oder Nettostrompreis? Kilowattstunde?

Brutto- oder Nettostrompreis? Kilowattstunde? Grundgebühr? Und wieso verlangt die Bewag plötzlich eine Bankeinzugsermächtigung? Mancher steht unter Strom, wenn er sich mit den fünf neuen Tarifen des Elektrizitätsgiganten beschäftigt. Die Verwirrung ist groß, weil es im Infomaterial der Bewag zu ihrem Angebot einige Schwachpunkte gibt. Das bestätigen auch Verbraucherberater. Ärger verursacht darüber hinaus die geforderte Einzugserlaubnis. Denn bei allen Stromtarifen mit Ausnahme von "BerlinKlassik" weigert sich die Bewag in ihren Verträgen, Einzelüberweisungen zu akzeptieren. Aus Sicht der Verbraucherschutzvereines ist dies rechtlich unzulässig. Der Verein erwägt deshalb eine Klage.

Rund 60 Prozent der 1,8 Millionen Bewag-Kunden haben eine Einzugsermächtigung unterschrieben. Die übrige Kundschaft überweist ihre Stromrechnungen noch immer selbst, was für die Bewag aufwendiger ist. Deshalb will sie das "wesentlich kostengünstigere" Abbuchungsverfahren im Zusammenhang mit den neuen Stromtarifen forcieren und macht den Beziehern der vier Tarife ÖkuPur, MultiConnect, Multi Connect 24 und BerlinKlassicPlus entsprechende Auflagen. Bewag-Sprecher Siegfried Knopf: "Das ist auch bei Handyverträgen die übliche Praxis." Ausgenommen sind Bewag-Kunden, bei denen sich nichts ändert: Wer weiterhin nur Strom aus Berlins Kraftwerken beziehen will, kann sich beim fünften Tarifmodell - "BerlinKlassik" - die Zahlungsmodalitäten aussuchen.

Der Verbraucherschutzverein registriert "jede Menge Beschwerden" gegen den Abbuchungszwang. Aus Sicht seines Juristen Bernd Ruschinzik verstößt die Bewag damit gegen ihre Versorgungspflicht. Ruschinzik: "Es gibt ja auch Leute ohne Girokonto. Die können keine Ermächtigung ausstellen. Will die Bewag denen nun den Strom kappen?" Mit Sicherheit nicht, wie Bewag-Sprecher Siegfried Knopf erklärt. Angesichts der Proteste gibt sich Knopf kompromissbereit. Offenbar will die Bewag bei bockigen Kunden nicht mehr auf dem Kleingedruckten bestehen, sondern Überweisungen akzeptieren.

Aber das sind nicht die einzigen Sorgen, mit denen sich ganze Scharen von Stromkunden an die Verbraucherberater wenden. Durcheinander verursacht beispielsweise das Hin und Her um die Brutto- und Nettopreise des Stromes. So preist die Bewag in ihren Informationen die Kilowattstunde von BerlinKlassik als günstig an, weil sie nur noch 30 Pfennige im Gegensatz zum bisherigen Preis von 34 Pfennigen koste.

"Die Leute lesen das und kommen mit ihren alten Abrechnungen verwirrt zu uns", sagt Detlef Bramigk von der "Gesellschaft für rationelle Energieverwertung", die im Auftrag des Verbraucherschutzvereines Stromkunden berät. Kein Wunder, denn bis zur jüngsten Tarifreform tauchte die Kilowattstunde des klassischen Kraftwerksstroms nur mit 27 Pfennigen in der Abrechnung auf. Des Rätsels Lösung: Das war ein Nettopreis, es kamen noch Mehrwertsteuer und Energiesteuer hinzu, weshalb tatsächlich 34 Pfennige abgezogen wurden. Das war aber nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Die jetzt gepriesenen 30 Pfennige sind hingegen der Bruttopreis. Auf diesen Gegensatz weist die Bewag nicht ausreichend hin.

Eine weitere Kritik betrifft die Bewag-Tabelle "Ihre Ersparnisse im Überblick". Darin werden die Jahreskosten eines Haushalts für den jeweiligen Tarif in verschiedenen Verbrauchsklassen aufgeführt, es fehlen jedoch Angaben zu den Kosten der jeweiligen Kilowattstunde in Abhängigkeit zur Grundgebühr, moniert Detlef Bramigk. Das erschwere Kostenvergleiche mit anderen Anbietern. Bramigks Tip: Angesicht der Bewegung auf dem Strommarkt sollte man sich vertraglich jetzt nicht zu lange festlegen.

Die Gesellschaft für rationelle Energieverwendung" ist unter der Telefonnummer 30 160 90 erreichbar. Das Bewag-Infotelefon hat die Nummer O180 / 1 /551 155 (zu Ortstarif). Kostenvergleiche verschiedener Anbieter stehen im Heft 11 der "Stiftung Warentest".

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