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Zwei Straftäter wurden 2015 aus der Sicherungsverwahrung entlassen. Einer der beiden soll eine Achtjährige missbraucht haben.

© Julian Stratenschulte/dpa

Sexualstraftäter in Berlin: Nach Justizpanne: Wieder Missbrauchsverdacht

Der Sexualstraftäter hätte in Sicherheitsverwahrung sitzen sollen. Doch Berlins Justiz schlampte. Nun soll eine Achtjährige Opfer des Mannes geworden sein.

Zwei als gefährlich eingestufte Sexualstraftäter mussten vor drei Jahren wegen einer Justizpanne in Berlin aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden. Ein Richter hatte „wegen starker persönlicher Überlastung“ Akten der beiden Männer verschlampt, wie ein Gerichtssprecher damals sagte. Nun sitzen beide Männer nach Informationen des Tagesspiegels in Haft – wegen neuer Taten. Die Justizpanne von 2015 bekommt eine völlig neue Dimension, denn einer der Männer soll ein achtjähriges Mädchen missbraucht haben. Er ist in U-Haft. Der andere sitzt wegen schweren Diebstahls in der JVA Heidering.

Untersuchungen wegen Justiz-Panne unterblieben

Fall Nummer 1: Bernd R. saß viele Jahre im Gefängnis. 1992 hatte er im Vollrausch eine Bekannte erstochen, dafür bekam er dreieinhalb Jahre. Kurz nach der Haftentlassung zündete er die Wohnung einer Ex-Freundin an. 2003 wurde R. wegen „sexuellen Missbrauchs eines Schutzbefohlenen“ zu knapp sechs Jahren verurteilt, er soll 17 Mal seinen damals etwa 15 Jahre alten Sohn missbraucht haben. Die Strafe saß R. bis auf den letzten Tag ab, am 27. September 2008 trat er dann die Sicherungsverwahrung an.

Fall Nummer 2: Der 1983 geborene und bereits erheblich vorbestrafte Marc Neumann (Name geändert) war 2008 wegen „besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Waffe“ zu sechseinhalb Jahren verurteilt worden. Er hatte eine Schwangere in einem Park in Prenzlauer Berg mit einer Waffe bedroht und vergewaltigt – einen Monat nach seiner Entlassung.

Beide Männer wurden wegen der erheblichen Vorstrafen zu anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Diese Sicherungsverwahrten müssen regelmäßig von einem Sachverständigen auf ihre Gefährlichkeit hin untersucht werden. Dies war bei ihnen durch die Justizpanne von 2015 unterblieben. Nach damaligen Angaben des Gerichtssprechers hatte es „erhebliche Verfahrensverzögerungen“ gegeben. Der Tagesspiegel hatte die Entlassungen damals bekannt gemacht.

Justiz versuchte Männer wieder in Sicherheitsverwahrung zu nehmen

Fall Nummer 1: Bei Bernd R. hatte das Kammergericht eine „insgesamt ungeordnete Aktenführung“ bemängelt, teilweise wurden Entscheidungen in der Akte eines Mitgefangenen abgeheftet, Termine wurden frisiert, Anfragen und Anträge der Verteidigerin schlicht ignoriert. Das Kammergericht entschied auf sofortige Freilassung. Am 12. Juni 2015 kam er frei. R. zog mit seinem Lebensgefährten zusammen, kaufte sich ein Wassergrundstück im Umland und hatte eine feste Anstellung als Staplerfahrer. Die Männer lernten eine sozial schwache Familie in Berlin kennen – an deren achtjähriger Tochter soll sich der Mann vergangen haben. Die Eltern sollen froh gewesen sein, dass sich jemand um das Kind kümmert. Vor einigen Wochen, am 21. August, wurde R. festgenommen, einen Tag später Haftbefehl erlassen. In der JVA Moabit bekam der 1961 geborene Berliner einen Nervenzusammenbruch, er wurde in ein Krankenhaus verlegt.

Zunächst Freilassung - weil der Fall zu lange liegen blieb

Fall Nummer 2: Marc Neumann hatte das Kammergericht freigelassen, weil seine Akten zwei Jahre herumlagen, dies habe gegen das „Freiheitsgrundrecht des Verurteilten“ verstoßen. Die „Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit“ mussten zurückstehen, hieß es in dem Beschluss – obwohl Neumann weiterhin als gefährlich eingestuft wurde („keine günstige Legalprognose“). Bei Neumann war es der Staatsanwaltschaft gelungen, nach der Entlassung scharfe Auflagen durchzusetzen – etwa eine elektronische Fußfessel. Zudem durfte er weder Alkohol noch Cannabis konsumieren. Nun ist er wegen schweren Diebstahls wieder inhaftiert.

In beiden Fällen hatte die Justiz versucht, die Männer nach der Pannen-Freilassung wieder in Sicherungsverwahrung zu nehmen – dies war aber rechtlich nicht möglich.

Nun sind beide wieder in Haft. R. droht eine zweite Verurteilung wieder mit Sicherungsverwahrung. Dass dies möglich ist, zeigt der Fall des 2012 entlassenen Sicherungsverwahrten Michael P.: Drei Monate war P. in Freiheit bis zur nächsten Gewalttat. Seit 2015 sitzt er ein zweites Mal in Sicherungsverwahrung.

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