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Berlin: Vereidigte und Beleidigte

Die CDU fühlt sich von dem frisch gekürten Sozialminister Baaske verunglimpft. Deshalb geriet die gestrige Amtseinführung zum Schlagabtausch zwischen den Koalitionären

Von Michael Mara

und Thorsten Metzner

Potsdam. Eigentlich sind Minister-Vereidigungen eine harmonische Angelegenheit. Diesmal war es anders: Kaum, dass der neue SPD-Sozialminister Günter Baaske seinen Amtseid – ohne christliche Begleitformel – geschworen hatte, gratulierte ihm allein die vor ihm vereidigte junge CDU-Justizministerin Barbara Richstein strahlend. Die meisten christdemokratischen Landtagsabgeordneten blieben demonstrativ auf ihren Sitzen. Auch der CDU-Landeschef und Innenminister Jörg Schönbohm blickte säuerlich. Und CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek schimpfte, dass Baaske, noch vor seiner Vereidigung „für Streit in der Brandenburger Koalition" gesorgt habe. Platzeck müsse „hier für Ordnung sorgen, ansonsten steht er vor seinem ersten großen Problem".

Was war passiert? Am Vorabend hatte der, die empfindliche CDU-Seele noch nicht kennende Sozialminister im ORB-Fernsehen im Stile seines Vorbildes Regine Hildebrandt gegen „Stoiber und Konsorten“ gewettert. Schönbohms Stellvertreter Sven Petke, sonst selbst nie zimperlich, wenn es darum geht, gegen die SPD zu sticheln, zitierte vor Journalisten entrüstet den Duden: „Konsorten – abwertend für Mittäter, Mitangeklagte". Was Petke nicht zitierte: Konsorte lateinisch heißt Genosse. Neuling Baaske schaute nach seinem nicht ganz geglückten Start auf der Regierungsbank etwas bedeppert drein. Immer wieder wischte sich der Freizeit-Sportler den Schweiß von der Stirn. Im kurzen Vier-Augen Gespräch gelobte er Schönbohm, das Wort „Konsorten“ nicht zu wiederholen. Der 64-jährige Innenminister gab sich väterlich: „Mit 44 ist man noch lernfähig." Dennoch: Der kleine Lapsus nährte das Misstrauen, das in Unionsreihen gegen den als „links“ geltenden Intimus von Staatskanzlei-Chef Rainer Speer ohnehin herrscht. Ein führender Christdemokrat: „Wir haben Sorge, dass mit ihm die Gewichte in der SPD und im Kabinett verschoben werden.“ Sogar Schönbohm spielte darauf an, dass in Potsdam-Mittelmark die große Koalition von den Sozialdemokraten aufgekündigt und durch ein rot-rotes Bündnis ersetzt worden sei. Baaske ist dort Vize-Parteichef.

Vor diesem Hintergrund, bemerkte Schönbohm spitz, bedaure er die Ablösung Ziels: Der sei ein strenger Verfechter der Großen Koalition. Zu allem Überfluss hatte der einflussreiche Landtagsabgeordnete und SPD-Unterbezirkschef Ulrich Freese am Dienstag auch noch getönt, dass es möglicherweise weitere Minister-Rücktritte geben werde – und die n von Innenminister Schönbohm sowie Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß genannt: Der eine sei in die V-Mann-Affäre verstrickt, der andere trotz der Pleiten im Land nicht zu vernehmen.

Damit hatte Freese das Fass bei der CDU zum Überlaufen gebracht: „Absolut koalitionsfeindlich, unverschämt und billig“, polterte der sonst als gemäßigt geltende CDU-Fraktionsgeschäftsführer Dierk Homeyer. Freese, so forderte er, müsse sich bei Schönbohm und Fürniß entschuldigen. Und sein Generalsekretär Lunacek warnte die SPD: Man werde sich zu wehren wissen, wenn die Sozialdemokraten die Schuld für die gescheiterte Wirtschaftspolitik der SPD-Alleinregierung bis 1999 der CDU in die Schuhe schieben wollten. Die SPD schoss zurück: Die Christdemokraten sollten sich gefälligst an die eigene Nase fassen und nicht das Feuer schüren, wenn sie keine Hitze vertrügen. Es sei kein guter Stil, wenn die CDU ständig Attacken gegen Agrarminister Wolfgang Birthler reite und Schulminister Steffen Reiche angreife. Und es sei unfair, wenn der CDU-Abgeordnete Senftleben in einer parlamentarischen Anfrage nach den Kosten frage, die dem Land wegen eines Hintergrundgesprächs von Staatskanzlei-Chef Rainer Speer mit Journalisten vor Stolpes Rücktritt entstanden seien. Auch Schönbohm habe solche Runden.

Dissonanzen über Dissonanzen: So wollte gestern trotz der neuen jungen Sympathieträger Richstein und Baaske im Kabinett Aufbruchstimmung nicht aufkommen: So mancher Christdemokrat befürchtet, dass Platzeck nach der Bundestagswahl Rot-Rot anpeilen könnte. Umgekehrt machen sich manche besonnene Genossen Sorgen, dass die Koalition instabil werden könnte, falls Stoiber die Wahl gewinnen und Schönbohm in sein Kabinett holen sollte. Dieser wollte davon nichts wissen, prophezeite jedoch: „Es wird interessanter.“

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