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Berlin: Vereint gegen den Verfall

Schmargendorfer Mieter wollen ihre Häuser kaufen. Der Senat ist mit dem Preis nicht zufrieden – doch dann muss er teuer sanieren

Der Putz bröckelt von den Wänden, Trägerbalken verfaulen, Dachziegel lockern sich. Die Lentze-Siedlung verfällt. Das denkmalgeschützte Reihenhaus-Ensemble aus den Zwanzigern in der Lentzeallee in Schmargendorf bietet ein erbärmliches Bild. „Wenn sich nicht bald was tut, fällt alles zusammen“, sagt einer der 76 Mieter, die seit 15 Jahren versuchen, das Areal zu kaufen und sich zu diesem Zweck vor zwei Jahren zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen haben.

Doch das ist gar nicht so einfach. Der erste Versuch scheiterte 1990 am rot-grünen Senat, die folgenden an der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gesobau. Sie übernahm die Siedlung 1992 unentgeltlich vom Land Berlin – mit dem Auftrag, sie zu sanieren. Das tat sie jedoch nicht. Nur die notwendigsten Reparaturen wurden durchgeführt. Das änderte sich auch nicht, als die Gesobau 1999 die Lentze-Siedlung endgültig vom Land Berlin für 4,6 Millionen Euro kaufte, was aber nur 75 Prozent des tatsächlichen Verkehrswerts entsprach.

Die Siedlung ist kein Einzelfall. In Weißensee in der Straße 245 zum Beispiel ließ die Gesobau Reihenhäuser aus den Dreißigerjahren bewusst verkommen – mit dem Ziel, sie zu entmieten und dann abzureißen. „Die Straße 245 ist uns einfach übertragen worden“, sagt Gesobau-Vorstandsmitglied Jürgen Lüdtke, und es klingt wie eine Rechtfertigung. „Die wollten wir gar nicht.“

Mittlerweile vermuten die Mieter, dass die Gesobau in der Lentzeallee ähnlich vorgehen will. Lüdtke weist das zurück. Von Abriss könne keine Rede sein. „Wir möchten die Siedlung gerne an die Mieter verkaufen. Die Frage ist nur: zu welchem Preis?“ Nach diversen Gutachten und Gegengutachten einigten sich Genossenschaft und Gesobau im Juni 2002 schließlich auf 5,1 Millionen Euro. Ein paar Monate später wurden plötzlich 5,9 Millionen verlangt. Auf Verlangen der Finanzverwaltung, wie Lüdtke betont. Die Entscheidung über den Kaufpreis liege jedoch bei der Gesobau, heißt es von dort. Man könne es aber nicht gutheißen, wenn die landeseigene Aktiengesellschaft einen Buchverlust erleiden würde. Das würde bei einem Preis von 5,1 Millionen aber eintreten. Weil nicht der Preis, den die Gesobau bezahlt hatte (4,6 Millionen), verbucht wurde, sondern der Verkehrswert von 1999 (5,9 Millionen).

Inzwischen hat die Gesobau der Genossenschaft eine Frist bis zum 30. Mai gesetzt, um sich zu entscheiden. Doch die winkt ab. „Schon bei 5,1 Millionen haben die Banken angesichts des Zustands der Siedlung die Stirn gerunzelt“, sagt Ruth Martin. „Einen höheren Kredit bekommen wir nicht.“ Man versucht nun, bis zum 30. Mai so viel Geld wie möglich zusammenzubekommen. Doch die Gesobau bleibt hart. „5,9 Millionen Euro ist der Kaufpreis, und er wird es auch bleiben“, sagt Lüdtke. Falls die Genossenschaft nicht zuschlägt, will Lüdtke die Wohnungen einzeln an Mieter verkaufen. „Die können sich die hohen Sanierungskosten alleine doch gar nicht leisten“, entgegnet Martin. Mittlerweile haben sich auch Bundespolitiker wie Klaus Uwe Benneter (SPD) in die Diskussion eingeschaltet. Mit wenig Erfolg: Angeblich weigert sich Lüdtke, an weiteren Gesprächen mit der Genossenschaft teilzunehmen.

Vermutlich wird auch die Frist zum 30. Mai wieder ergebnislos verstreichen wird. Die Verlierer stehen schon fest: die Bausubstanz und das Land Berlin. „Entweder man verkauft die Siedlung oder man saniert sie“, sagt Wolf Schulgen von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Letzteres würde das Land mindestens 3 Millionen Euro kosten. Eine Situation, die Lüdtke plötzlich auf eine Idee bringt. „Das Geld aus dem Verkauf fließt doch sowieso an Berlin“, sagt er. „Wieso hilft man der Genossenschaft dann nicht mit einer Landesbürgschaft?“

Christian Hönicke

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