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Heimatforscher Christian Bormann vor dem etwa 80 Meter langem Mauerstück.

© Maurizio Gambarini/dpa

Vergessenes Mauerstück in Schönholz: Eine Berliner Mauer oder die Berliner Mauer?

Auf der ganzen Welt wundert man sich über den Sensationsfund der sogenannten Ur-Mauer. Doch handelt es sich dabei wirklich um den "Antifaschistischen Schutzwall"?

Von Christian Hönicke

Die nächste Hauptstadt-Posse droht. Thema diesmal: Sieht Berlin seine Mauer vor lauter Steinen nicht? Diverse Ämter und Bezirke recherchieren derzeit fieberhaft die Herkunft der sogenannten Ur-Mauer von Schönholz: Ist sie die Berliner Mauer oder nur eine Berliner Mauer? Klar ist seit Dienstag immerhin: Sie steht nicht auf Pankower, sondern auf Reinickendorfer Seite. Zumindest derzeit.

Ob die Ziegelwand am Güterbahnhof Schönholz dennoch 1961 von der DDR als Schutzwall genutzt wurde, ist weiter umstritten. Christina Czymay meint: nein. Die Baudenkmalinventarisatorin beim Landesdenkmalamt erklärt in ihrer Erst-Expertise, „nach derzeitigem Kenntnisstand“ sei sie „nicht ein Bestandteil des Grenzbereiches ,Antifaschistischer Schutzwall‘ oder der ,Berliner Mauer‘“ gewesen. Sondern nur eine „grenznahe Mauer“, vermutlich als Begrenzung für Gewerbe und Bahnanlagen im Westteil.

Das Mauerstück, das ihn nun bekannt macht, kannte Bormann schon seit 1999 und hielt seinen Fund in Schönholz geheim – bis jetzt.
Das Mauerstück, das ihn nun bekannt macht, kannte Bormann schon seit 1999 und hielt seinen Fund in Schönholz geheim – bis jetzt.

© Christian Bormann

Alle Aufregung umsonst? Nicht, wenn man Christian Bormann Glauben schenkt. Der Pankower Heimatforscher widerspricht den professionellen Zweiflern und beharrt darauf, dass es sich bei seiner Entdeckung um die Ur-Mauer von 1961 handelt.

Auch internationale Kamerateams, darunter der US-Bezahlsender HBO, wurden auf den Mauerfund aufmerksam und kamen, um den "deutschen Indiana Jones" Bormann vor seinem Schatz zu filmen, wie die "Berliner Zeitung" berichtete.

Karten aus dem Landesarchiv als Beweis

Als Beweis führt er Karten des Landesarchivs an, die das Landesdenkmalamt offenbar nicht kennt. Sie verzeichnen die Bezirksgrenze zwischen Pankow und Reinickendorf zu jener Zeit exakt auf der umstrittenen Mauer. Die spätere Systemmauer mit Todesstreifen wurde laut Bormann wegen des schwierigen Bodens und besserer Sicht 1967 östlich davon gebaut und die Grenze dauerhaft an diese Begradigung angepasst. Wurde die Ur-Mauer also von der DDR nach West-Berlin abgeschoben?

Hier wurden die Mauerreste gefunden. Für die Gesamtansicht aufs rote Kreuz klicken.
Hier wurden die Mauerreste gefunden. Für die Gesamtansicht aufs rote Kreuz klicken.

© Tsp

Ein weiterer Beweis für die Echtheit der Mauer ist laut Bormann das Grenzalarmsystem, das samt Keramik-Isolatoren und Verteilerkästen vorhanden sei. Und die Aufbauten hätten nicht wie vom Denkmalamt behauptet die Bahnanlagen nach Westen schützen, sondern die Republikflucht verhindern sollen. „Der Menschenfang mit Stacheldraht ist nach Osten ausgerichtet“, so Bormann. „Vom Westen her hätte man leicht drübergekonnt.“ Daher ruft er nun die Bundeskanzlerin auf, die „Anlage von historischem Wert“ zu sichern.

Das Denkmalamt prüft unterdessen weiter Stein um Stein, ein finales Urteil wird aber Wochen auf sich warten lassen. Czymay rät vorsichtshalber zur „Einbeziehung der erhaltenen Mauerteile in den Mauerwanderweg“. Nach dem Motto: Eine Mauer in Berlin ist ja irgendwie auch eine Berliner Mauer. Den Rest klären wir beim nächsten Mauerfall.

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