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Ein Habicht, aufgenommen in der Nabu-Wildvogelstation im Forsthaus Wuhletal in Berlin.

© picture alliance / dpa

Vergiftete Greifvögel in Berlin: Ein Friedhof in Gesundbrunnen als Tatort

Seit 2016 wurden in Berlin mindestens 13 Habichte und Bussarde vergiftet. Elf der Taten wurden am selben Ort begangen. Mehrere Motive sind denkbar.

Auf dem Friedhof St. Elisabeth II in Gesundbrunnen an der Grenze zwischen Berlin-Mitte und Pankow geschieht Schauriges: Immer wieder werden dort Greifvögel vergiftet; mindestens drei waren es im vergangenen Jahr, ebenso viele im Jahr davor. Von 13 erwiesenermaßen vergifteten Greifvögeln, die seit 2016 in Berlin gefunden wurden, verendeten elf allein auf diesem Friedhof östlich der Wollankstraße. Und erst vor kurzem wurden auf demselben Friedhof zwei weitere tote Greifvögel gefunden, die der Naturschutzbund (Nabu) dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Friedrichsfelde zur Untersuchung übergeben hat. Die toxikologischen Befunde stehen noch aus, aber die Erfahrung lässt die übliche Todesursache befürchten: Vergiftung.

Mindestens acht Habichte und fünf Mäusebussarde sind es, die seit 2016 in Berlin vergiftet wurden. Die Zahlen hat die Umweltverwaltung auf Anfrage der Grünen-Abgeordneten June Tomiak zusammengetragen.

Nachdem im Herbst 2017 in einer Kleingartenanlage in Britz zwei mit Sendern versehene Habichte abgeschossen worden waren, konnte ein Täter ermittelt werden. 2018 wurde ein Strafbefehl gegen ihn erlassen. Aktuell gebe es beim Landeskriminalamt kein Strafverfahren wegen Verstößen gegen das Naturschutzgesetz, teilte die Polizei auf Anfrage mit. Laut der zuständigen Direktion seien in den vergangenen zwei Jahren gar keine diesbezüglichen Strafanzeigen erstattet worden.

Ein Seeadler fliegt am blauen Himmel über dem Oderbruch. Auch am Berliner Stadtrand gibt es seit einigen Jahren wieder einzelne Brutpaare.
Ein Seeadler fliegt am blauen Himmel über dem Oderbruch. Auch am Berliner Stadtrand gibt es seit einigen Jahren wieder einzelne Brutpaare.

© dpa

Nach Erkenntnissen der Umweltverwaltung sind die Greifvögel teilweise durch mit Giftködern präparierte Tauben getötet worden – was den Aufwand zeigt, den der oder die Täter treiben. Derk Ehlert, Wildtierexperte der Verwaltung, hat zumindest allgemeine Vermutungen über mögliche Tatmotive: „Es gibt Menschen, die Habichte als Feinde sehen oder als Gefahr für Singvögel“, sagt er.

In anderen Bundesländern hätten sich vereinzelt Taubenzüchter bei der illegalen Bekämpfung hervorgetan. Tauben sind die Hauptnahrung von Habichten. Sie fangen sie lebend, während beispielsweise Bussarde auch Aas fressen würden. Und in Bauernfamilien ist seit jeher bekannt, dass das Geflügel vor dem „Hühnerhabicht“ geschützt werden muss.

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Aus Sicht von Ehlert werden sich die Giftattacken wohl nur aufklären lassen, falls der Täter zufällig erwischt wird. Insofern könne es lohnen, wenn Friedhofsbesucher die Augen offen halten – um entweder den Täter zu bemerken oder auch krank wirkende Tauben, die womöglich als Köder präpariert worden sind.

„Abgesehen davon, dass das Vergiften der Greifvögel als illegale Jagd eine Straftat ist, ist es auch nicht nachhaltig, weil es den Bestand nicht reduziert“, sagt Ehlert. Frei werdende Reviere würden rasch wieder neu besetzt.

„Wir sind froh über jeden Habicht und jeden Mäusebussard, die sich hier ansiedeln“, sagt Ehlert. Die Abgeordnete June Tomiak, die die Anfrage gestellt hat, sagt: „Ich würde angesichts dieser lokalen Häufung erwarten, dass Senat und Polizei aktiv versuchen, diese Tötungen aufzuklären – erst recht angesichts des gezielten Vorgehens der Täter einerseits und der geleisteten Vorarbeit von Verbänden wie dem Nabu andererseits.“

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Über die Greifvogelbestände in Berlin existieren bei der Umweltverwaltung zumindest Schätzungen. Demnach besiedeln Habichte knapp 100 Brutreviere – Wälder sowie Parks und Friedhöfe im gesamten Stadtgebiet. Nur Turmfalken sind mit 250 bis 300 Revieren noch häufiger. Sie nisten überwiegend in hohen Bauwerken wie Kirchen; auch im Turm des Roten Rathauses brütet seit Jahren ein Paar.

Sperber und Mäusebussarde besiedeln stadtweit je etwa 50 Brutreviere. Reviere von Schwarzmilanen gibt es nur etwa eine Handvoll – verteilt auf die Gewässer im Südwesten und Südosten der Stadt.

Baum- und Wanderfalken sowie Wespenbussarde sind ähnlich selten. Das gilt erst recht für die größte der geflügelten Raritäten: Nach jahrelanger Abstinenz siedeln zwei Seeadler-Brutpaare an den Gewässern im Berliner Süden. Zwei weitere kommen regelmäßig zum Fressen aus dem Speckgürtel nach Berlin geflogen, um sich beispielsweise an Köstlichkeiten aus der Oberhavel zu bedienen.

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