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Berlin: Vergleiche, die nicht weiterhelfen

Das Abgeordnetenhaus will am Freitag den Haushalt 2002/2003 verabschieden. Der Tagesspiegel hat Wissenschaftler gefragt, wie die Entscheidungen des Senats zu bewerten sind.

Das Abgeordnetenhaus will am Freitag den Haushalt 2002/2003 verabschieden. Der Tagesspiegel hat Wissenschaftler gefragt, wie die Entscheidungen des Senats zu bewerten sind. Gestern beschrieben der designierte Kanzler der Uni München, Bernd Huber, zusammen mit Beate Milbrandt und Marco Runkel, dass die Grundannahmen der Finanzpolitik sehr optimisitsch sind, die Schuldenquote aber trotzdem weiter steigen wird.

Berlins Angebot an öffentlichen Leistungen wird mitunter dem anderer Bundesländer gegenüber gestellt. Allerdings ist es problematisch, die Flächenländer zum Vergleich heranzuziehen. Letztlich taugen dafür nur die beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass Berlin Hauptstadtfunktion erfüllt und der Stadt seinerzeit - wie ostdeutschen Kommunen und Ländern - ein höherer Finanzbedarf zur Bewältigung seiner Anpassungslasten zugestanden wurde. Deshalb kann die Aussage Finanzsenators Thilo Sarrazin, Berlin gebe pro Kopf 45 Prozent mehr aus als der Durchschnitt der Länder, nicht der Maßstab für Ausgabenkürzungen sein.

Ohne die Belastungen des Landeshaushalts durch die Bankgesellschaft gibt Berlin je Einwohner 5 Prozent weniger als Bremen und „nur" noch 8 Prozent mehr als Hamburg aus; 1995 betrug der Abstand zu Hamburg noch ein Fünftel. Allerdings beschäftigt Berlin noch immer weit mehr Verwaltungspersonal, als dies anderswo der Fall ist. Hier ist der Druck groß, Stellen abzubauen, insgesamt jedoch in geringerem Umfang, als die regelmäßigen Vergleiche des Finanzsenators suggerieren. Vor allem muss berücksichtigt werden, dass die Stadtstaaten zwar höhere Steuereinnahmen aufweisen als viele Flächenstaaten, weil sich in den großen Städten die Wirtschaftskraft ballt. Auf der anderen Seite aber haben diese Städte besondere Lasten zu schultern. So müssen mehr soziale Einrichtungen unterhalten und höhere Sozialhilfeaufwendungen getragen werden, ebenso muss für eine intensivere schulische Betreuung gesorgt und mehr Geld für öffentliche Sicherheit ausgegeben werden.

Wegen dieser Unterschiede können große Städte in Flächenländern wie München, Stuttgart oder selbst Potsdam im kommunalen Finanzausgleich einen viel höheren Finanzbedarf geltend machen als kleinere Gemeinden. Aber eben auch die Finanzierung von Landesaufgaben schlägt in den großen Städten weitaus stärker zu Buche.

So wird in Großstädten etwa 10 Prozent mehr Schulunterricht erteilt als im Durchschnitt der jeweiligen Länder. Noch markanter sind die Unterschiede bei der Polizei oder an den Hochschulen, deren Ausgaben in den großen Städten doppelt bis dreimal so hoch wie im Landesdurchschnitt sind. Ähnlich bei den Soziallasten - in den Großstädten ist die Sozialhilfedichte doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Flächenländer. Mehrausgaben entstehen zudem durch Verkehrssysteme, Theater, Spezialkrankenhäuser usw., deren Leistungen auch von den Umlandbewohnern wahrgenommen werden.

Wegen dieser strukturellen Besonderheiten wird die Einwohnerzahl der Stadtstaaten beim Länderfinanzausgleich auch überproportional berücksichtigt. Ob dieser Ausgleich hinreichend ist, steht nicht zur Debatte, doch gibt es Gründe, dies zu bezweifeln. Wenn ein Vergleich, dann also in erster Linie mit Hamburg. Dabei zeigt sich, dass die Berliner Verwaltung überdimensioniert ist: Allein in der Sozialverwaltung, bei den Gesundheitsbehörden, in der Bau- und Wohnungsverwaltung, in der Schulverwaltung, aber auch im Bereich der Sportstätten und Erholung sind in Berlin pro Kopf der Bevölkerung gerechnet weit mehr – nämlich 11 000 – Bedienstete tätig. In anderen personalintensiven Bereichen wie Schulen, Hochschulen oder auch Kindertagesstätten lässt sich für Berlin keine Besserstellung nachweisen.

Niemand kann ernsthaft den gewaltigen Konsolidierungsdruck bestreiten, der auf dem Berliner Haushalt lastet. Doch sollten die notwendigen Schnitte nicht anhand von problematischen Vergleichsmaßstäben, sondern mit notwendigen Strukturreformen begründet werden.

Dieter Vesper ist Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaft DIW in Berlin

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