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Siegfried Kühbauer widersetzte sich der Räumung, indem er sich auf dem Gelände der Kinderfarm meldete. Der Zaun weist ihn die Schranken.

© Fatina Keilani

Verhandlung vor dem Amtsgericht Wedding: Der Streit um den Weddinger Kinderbauernhof geht weiter

Vor dem Amtsgericht stritt man am Mittwoch um den Weddinger Kinderbauernhof – und um dessen Bewohner. Es wird nicht die letzte Verhandlung gewesen sein.

Von Fatina Keilani

Amtsgericht Wedding, Mittwochmorgen, 10 Uhr. Richter Hans-Ulrich Kuchheuser ruft seine fünfte Sache an diesem Tage auf; um 9 Uhr hat er angefangen. Im Saal 355 gibt es für die Parteien nur Stehpulte – es ist offenbar nicht vorgesehen, dass eine Verhandlung länger dauert. Jetzt geht es um eine Räumungsklage; die Vorgeschichte ist als „Behördenposse“ durch die Presse gegangen: Siegfried Kühbauer soll geräumt werden, der Mann, der zwischen zwei Strichen auf dem Boden gehen musste, um zu seiner Wohnung zu kommen.

Seine Schritte wurden auf Steuerzahlerkosten vom Bezirk überwacht. Blieb Kühbauer stehen oder übertrat den Strich, so bekam er eine Anzeige. Die verantwortliche SPD-Jugendstadträtin Sabine Smentek wurde dafür angegriffen, der Comedian Mario Barth schickte seinen Außenreporter Ingo Appelt zum Berichten aufs Gelände.

Die Farm, das Lebenswerk von Siegfried Kühbauer

Dabei ist die Geschichte eher tragisch als lustig. Mehr als 30 Jahre bestand die „Weddinger Kinderfarm“ an der Luxemburger Straße; Siegfried Kühbauer war ihre zentrale Figur. Man könnte also sagen, die Farm ist sein Lebenswerk. Er hat das gut gemacht, das findet auch das Bezirksamt. Er sei zwar nie einfach gewesen, so als Mensch – „ein streitbarer Geist der Jugendhilfe“, sagt eine Mitarbeiterin des Bezirksamts, die öfter mit ihm zu tun hatte – aber offenbar hat er über Jahrzehnte gute Arbeit geleistet.

Doch im Jahr 2014 kam es zu Problemen: Wer Steuergeld bekommt, muss Rechenschaft ablegen. Und über eine Zuwendung von 170.000 Euro wurde der Verwendungsnachweis nicht korrekt erbracht. Der Bezirk gewährte Nachfristen, dann kündigte er den Vertrag und schrieb den Betrieb des Kinderbauernhofs neu aus. Seither herrscht Krieg.

Ein Vergleich ist bisher nicht zustande gekommen

Da der Verein das Gelände nicht räumte, verklagte ihn der Bezirk – und gewann. Die Räumung sollte am 20. Juni, einem Montag, stattfinden. Am Freitag davor meldete sich Kühbauer auf dem Gelände als wohnhaft. Die Gerichtsvollzieherin respektierte das; der Verein wurde geräumt, Kühbauer nicht. Der Bezirk fand das falsch; er glaubt auch nicht, dass dort wirklich jemand wohnt. Er meldete Kühbauer von Amts wegen ab und klagte erneut, und um diese Klage ging es nun am Mittwoch. In der Zwischenzeit durfte Kühbauer das Gelände der Kinderfarm nicht betreten, es war ihm aber erlaubt, zu seiner Wohnung zu gehen – daher die Striche, aus denen später sogar Zäune wurden.

Vor dem Amtsgericht versuchten Kühbauer und sein Anwalt , über eine Streitverkündung den Verein in den Rechtsstreit hineinzuziehen. Richter Kuchheuser fällte kein Urteil, sondern wollte das prüfen. Es ist ohnehin nicht der letzte Streit. Der Bezirk hat auf Rückzahlung der Mittel geklagt, für die kein Nachweis erbracht wurde, und auch die Kosten für das Räumungsverfahren will er von Kühbauer erstattet haben.

Der wiederum verlangt Geld vom Bezirk, weil der Verein auf dem Gelände Gebäude errichtet hat. Eigentlich beste Bedingungen für einen Vergleich, doch ist bisher keiner zustande gekommen, obwohl beide Seiten beteuern, eine Einigung zu wollen. Die „Wohnung“ ist übrigens das Zivi-Zimmer auf dem Gelände. Niemand glaubt, dass dort wirklich jemand wohnt. Kühbauer ist mittlerweile 67 Jahre alt. Er könnte auch einfach in Ruhe seine Rente genießen.

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