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Berlin: Verkannte Pflanze

Dank einer Stiftung hat der Botanische Garten jetzt ein Moosprojekt

Dass sich niemand für Moose interessiert, ist bloß ein Gerücht. Das Leucobryum glaucum etwa, das Gemeine Weißmoos, war schon nach wenigen Tagen verschwunden. Vögel haben sich darüber hergemacht, sagt Cora Schaumann. „Aber wahr ist: Der Mensch verkennt das Moos.“

Bisher zumindest. Gestern wurde im Botanischen Garten in Dahlem der erste wissenschaftliche Moosgarten Europas eröffnet. 30 verschiedene Arten wachsen dort in mehreren Beeten, kleine Schilder informieren über Art und Verbreitungsgebiet. Die Idee dazu hatte Cora Schaumann, 67, Richterin im Ruhestand und viele Jahre lang selbst eine ausgesprochene Moos-Ignorantin. Früher galt ihr Interesse den Blumen. „Bunte Blüten machen eben mehr her.“ Auf den ersten Blick, schiebt sie nach. Die einzigartige Schönheit des Mooses brachte ihr Tochter Friederike näher. Die studierte Botanik an der Freien Universität, schrieb die Doktorarbeit über Moosarten in Chile. Und starb mit 30 an einem Hirntumor. „Da lagen dann ihre ganzen wissenschaftlichen Bücher und Foto-CDs, und ich habe reingeguckt.“ Schaumann kam auf den Geschmack, war irgendwann begeistert und gründete eine Stiftung, um den Moosgarten einzurichten. Der ist bislang noch ein Experiment, sagt Albert-Dieter Stevens, wissenschaftlicher Leiter des Botanischen Gartens. Weil die meisten Moosarten schwer zu verpflanzen sind. „Wir wissen nicht, welche hier dauerhaft überleben.“ Die jetzigen 30 Arten stammen aus dem Düppeler Forst, Stahnsdorf und dem Kalkwerk Rüdersdorf. Manche kann der Laie nur mit der Lupe voneinander unterscheiden. Aber wer einmal Blut geleckt habe, dem öffne sich eine neue Welt, sagt Stevens: „Es sind faszinierende Pflanzen.“ Rund 1000 Arten wachsen in Deutschland, weltweit sind es 26 000. In der Antarktis überleben Moose bei minus 80 Grad, in Europa wachsen so genannte Leuchtmoose in Höhlen ohne Licht. Andere Arten können vier Jahre auf Wasser verzichten oder entwickeln Abwehrstoffe, die sie für Tiere ungenießbar machen. „Und viele Naturvölker nutzen Moose als Medizin“, sagt Schaumann. Westliche Mediziner hätten dieses Wissen noch nicht, „die fangen gerade erst an“. Cora Schaumann ist so vom Moos überzeugt, dass man das auch ihrem privaten Garten ansieht. Der Rasen besteht inzwischen zu großen Teilen aus Moosflächen, Rausrupfen ist schon lange verboten. Das Wort „Unkraut“ ebenso.

Der Botanische Garten ist täglich von 9 bis 16 Uhr geöffnet. Der Moosgarten befindet sich in der Nähe des Eingangs am Königin-Luise-Platz.

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