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Riskanter Job. Feuerwehr im Einsatz, hier auf der A 10 bei Ludwigsfelde.

© Julian Stähle/dpa-Zentralbild/pa

Verkehr: Der Berliner Ring ist Brandenburgs tödlichste Autobahn

Immer mehr Verkehr auf Brandenburgs Autobahnen, immer mehr Unfälle: Nach dem Tod zweier Feuerwehrleute prüft die Landesregierung nun Konsequenzen.

Tagtäglich rollen Hunderte riesige Laster mit ihrer tonnenschweren Fracht durch Brandenburg. Immer wieder kracht es auf den Autobahnen, werden Feuerwehrleute zum Einsatz gerufen und geraten dabei sogar in Lebensgefahr. 2017 krachte es 8311 Mal auf Brandenburgs Autobahnen - ein Höchststand. 2011 waren es noch 5911 Unfälle. Im Jahr 2018 gab es bis Oktober 6620 Autobahnunfälle, 853 Menschen wurden dabei leicht verletzt, 351 schwer - das ist fast ein Drittel mehr als im gesamten Jahr 2011. 2017 wurde 23 Menschen bei Unfällen auf den Autobahnen getötet, 386 schwer verletzt. Insgesamt hat sich die Zahl der Todesopfer aber seit 2010 halbiert. Damals starben 46 Menschen auf Brandenburgs Autobahnen, 326 wurden schwer verletzt.

Auf der A10 sind die meisten Menschen gestorben

Die tödlichste Strecke ist der Berliner Ring, die A10. Von 2010 bis Oktober 2018 kamen hier insgesamt 84 Menschen ums Leben, auf der A12 Richtung Polen waren es 36. „Das ist keine Autobahn wie jede andere“, sagte der Sprecher des Innenministeriums Ingo Decker. „Die A12 hat es in sich.“ Auf der A13 nach Dresden waren es 34 Todesopfer. Aber auch die A2 ist eine gefährliche Piste. Im Vorjahr gab es 25 Todesopfer. Auf der A9 Richtung Leipzig starben 21 Menschen. Auch die Zahl der bei Autobahnunfällen leicht verletzten Personen ist seit 2010 gestiegen. Damals waren es 784, im Jahr 2017 waren es 928.

Der Anstieg bei den Unfallzahlen hat einen Grund: Von 2010 bis 2017 nahm der Verkehr auf den Autobahnen in Brandenburg pro Jahr um 2,4 Prozent zu. 2010 wurden täglich rund 38.100 Fahrzeuge gezählt, 2017 waren es im Schnitt knapp 44 500 Fahrzeuge pro Tag. Nach Angaben des Infrastrukturministeriums ist das ein Anstieg um 2,4 Prozent - pro Jahr. Beim Güterverkehr stieg die Zahl der gezählten Fahrzeuge auf den Autobahnen von 6153 im Jahr 2010 auf 7628 im Jahr 2017. Das ist eine jährliche Zunahme um 3,4 Prozent.

Gefahrenlagen für Retter entschärfen

Nach dem Tod zweier Feuerwehrleute 2017 beim Einsatz auf der A2 und dem Prozess vergangenen Dezember prüft die Landesregierung nun, ob und welche Konsequenzen aus dem tragischen Unfall bei Kloster Lehnin (Landkreis Potsdam-Mittelmark) gezogen und ob Vorgaben für Unfallstellen geändert werden müssen, sagte der Sprecher des Innenministeriums.   

Die Arbeitsgruppe Autobahn der Landesregierung diskutiere nach dem inzwischen vorliegenden Dekra-Gutachten zum Unfallhergang, ob der sogenannte Autobahnerlass, der die Rechte und Pflichten auf Schnellstraßen regelt, geändert werden sollte, um künftig ähnliche Gefahrenlagen zu entschärfen. „Natürlich gibt es Situationen, die man nicht verhindern kann, aber wir dürfen nichts unversucht lassen, um Unfälle zu verhindern“, sagte Decker. Diskutiert wird beispielsweise, ob Unfallstellen noch auffälliger gesichert werden und der Absperrbereich weiter ausgedehnt werden muss. Auch eine größere und besser sichtbare Heckbeschriftung von Einsatzfahrzeugen könne eventuell zu mehr Sicherheit beitragen.

Im Falle des tödlichen Crashs bei Kloster Lehnin hätten diese Maßnahmen vermutlich wenig genutzt. Der 57 Jahre alte Lkw-Fahrer war am Steuer eingeschlafen, bemerkte die hell erleuchtete, laut Zeugen weithin sichtbare Unfallstelle nicht und raste ungebremst hinein. Freiwillige Feuerwehrleute waren gerade dabei, dem Opfer des ersten Unfalls auf der Autobahn zu helfen, als der Lkw ihr Einsatzfahrzeug touchierte. Dieses kippte um und begrub die beiden Männer unter sich.

Die Feuerwehr hat immer mehr zu tun

Dass die Einsätze gefährlicher werden, Helfer mit Angst auf die Autobahn fahren, haben Feuerwehrleute am Rande der Verhandlung in Brandenburg/Havel, bei der der Lkw-Fahrer wegen fahrlässiger Tötung der beiden Einsatzkräfte vor Gericht stand, geschildert. „Ich weiß, was auf den Autobahnen los ist“, hatte der ehemalige Wehrführer von Kloster Lehnin, Klaus Schulz, erklärt, der 50 Jahre im Feuerwehrdienst war. Da werde gedrängelt, gerast, die Feuerwehr nicht respektiert.

Diese Einschätzung bestätigt das Verkehrsministerium. „Die Einsatzbewältigung auf den Bundesautobahnen durch Feuerwehren gilt als einer der Gefahrenschwerpunkte im Land Brandenburg“, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage der CDU-Fraktion. Insbesondere der zunehmende Schwerlastverkehr und die Vielzahl „komplexer Bauvorhaben“ hätten die Zahl der Einsätze steigen lassen.

Zu wenige Abschleppfirmen

Hinzu kommt eine neue Problematik: In Brandenburg gibt es nicht genug Bergungs- und Abschleppunternehmen, um die Helfer der Feuerwehr zügig unterstützen zu können. Beim letzten Vergabeverfahren für die Autobahn-Aufträge durch das Polizeipräsidium sei deutlich geworden, „dass im ländlichen Raum immer weniger Unternehmen vorhanden sind“.

Zu elf der 146 Fach- und Regionallose sei keine Bewerbung abgegeben worden, sodass der Zuschlag im Rahmen der freihändigen Vergabe erteilt wurde – mit Senkung der Anforderungen. Das heißt im Klartext: Die vorgegebene Eintreffzeit am Einsatzort wurde erhöht. Wie lange die Bergungsfirmen nun zum Unfall brauchen und welche Regionen betroffen sind, konnten Infrastruktur- und Innenministerium noch nicht beantworten.

Um für den Einsatz auf der Autobahn besser gerüstet zu sein, können Feuerwehren beim Kauf spezieller Ausrüstung unterstützt werden, heißt es in der Antwort der Landesregierung. Auch bei der Aus- und Fortbildung an der Landesfeuerwehrschule werde die Problematik berücksichtigt. Dass das nötig ist, zeigt die steigende Zahl an Unfällen.

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Marion Kaufmann

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