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Tempelhof

© ddp

Ideensuche: Frei sein in Tempelhof

Auf Berlin wartet eine städtebauliche Herkulesaufgabe: Die Entwicklung des alten Flughafens Tempelhof zu einem neuen Viertel wird Jahrzehnte dauern.

Einen Namen hat das Projekt bereits: Tempelhofer Freiheit. Klingt gut, umschreibt aber nicht, was auf Verwaltung und Politik zukommt: viele Zwänge nämlich. Zum Beispiel muss Berlin sich mit dem Bund über die Zukunft des Flughafens verständigen. Beide Parteien sind Eigentümer, beide sind sich alles andere als einig. Aber nach der Entscheidung bei der Volksabstimmung ist zumindest der Zwang vom Tisch, über die Schließung des Flughafens und den Zeitpunkt dafür zu diskutieren. Der steht nun fest: Ende Oktober ist Schluss.

Dann beginnt eine stadtplanerische Herkulesaufgabe, die selbst in Berlin, wo in den letzten 18 Jahren in der Innenstadt kein Stein auf dem anderen geblieben ist, ihresgleichen sucht. Mehr als 300 Hektar misst die Fläche in zentraler Lage, und das denkmalgeschützte Gebäude ist so groß, dass Bundesnachrichtendienst samt Innenministerium hineingepasst hätten.

Doch das Projekt der Tempelhofer Freiheit ist nicht beispiellos in Deutschland. München hat mit der Nachnutzung des Flughafens in Riem vorgemacht, wie daraus ein lebendiges Stadtviertel werden kann. Das Beispiel zeigt auch, dass die Stadt bei der Entwicklung von Tempelhof einen langen Atem haben muss. 1990 hatte München die Pläne für Riem fertig, 1992 startete der letzte Flieger von dort, doch erst 2013 soll die Messestadt Riem, die auf dem fast 560 Hektar großen Gelände entsteht, endgültig fertig sein.

In Tempelhof gelten jedoch ganz andere Voraussetzungen. Anders als in München mangelt es in Berlin nicht an Flächen in leer stehenden Altbauten. Und ein neues Messegelände braucht die Stadt auch nicht. Also entstand in der Stadtentwicklungsverwaltung das Konzept einer Bebauung an den Rändern des Flugfeldes mit Wiesenmeer in der Mitte (siehe Kasten links).

Viel wurde über diese Idee gestritten. Der Bund, Mehrheitseigentümer in Tempelhof, findet sie überhaupt nicht berauschend, weil er sich durch den Verkauf und die Verwertung eine Millioneneinnahme verspricht. So viel will Berlin nicht zahlen, um den Bund herauszukaufen. Deshalb möchte das Land am liebsten mit dem Bund zusammen Tempelhof entwickeln. Dann müsste jedoch ein Konsens her, und den erreichen beide nur mit einer neuen Diskussion – über die Größe der Baufelder und der Freiflächen und die Nutzung des Hauptgebäudes.

Eine Blockade kann sich keine der beiden Seiten erlauben. Der Bund nicht, weil er die Millionen teuren Instandhaltungskosten für das Empfangsgebäude zu großen Teilen tragen müsste. Die rot-rote Koalition aber auch nicht, weil eine jahrelange Brache auf dem Flugfeld der Opposition in die Hände spielen würde.

Der Senat hat daher ein Projekttrio aus Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) und Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) eingesetzt, das sich Tempelhofs Zukunft annehmen soll. Junge- Reyer hat den Hut auf, ihre Verwaltung wird federführend sein. Sie sagt: „Zwischennutzer werden eine große Rolle spielen.“

Das war in München-Riem auch so. Bevor mit dem Bau der Messestadt begonnen wurde, haben Konzertveranstalter die leeren Terminals und Hangars genutzt. Die US-Band Nirvana gab hier ihr letztes Konzert. In die Flughafenkantine zog eine Techno-Disko. Das alles war nach vier Jahren vorbei, dann rollten die Abrissbagger. Anders als in Tempelhof ist vom ehemaligen Flughafen Riem nur der Tower und ein kleiner Teil des Empfangsgebäudes stehen geblieben.

Um den riesigen Bau von Ernst Sagebiel soll sich, wenn das Land alleiniger Eigentümer wird, die Berliner Immobilien Management (BIM) kümmern. Sie wurde von Sarrazin vor einigen Jahren gegründet, um Landesimmobilien (inklusive der Senatsverwaltungen und des Roten Rathauses) besser zu vermarkten und wirtschaftlicher zu managen. Der landeseigene Liegenschaftsfonds könnte die als Bauland ausgewiesenen Grundstücke nach und nach verkaufen.

Gerade für Wohnimmobilien in zentraler Innenstadtlage verzeichnet der Fonds seit Jahren eine steigende Nachfrage. Also stehen auch die Chancen, dass sich die Senatspläne in Sachen Wohnungsbau tatsächlich umsetzen lassen, derzeit recht gut. Für die Planung wäre eine landeseigene Entwicklungsggesellschaft nötig, die – auch das hat es in Riem gegeben – die gesamte Entwicklung der Infrastruktur steuert. Bis es so weit ist, wird es noch einige Zeit dauern.

Und doch gibt es schon erste Kritik. Zum Beispiel vom Architekturexperten Dieter Hoffmann-Axthelm. Er glaubt nicht, dass eine Integration Tempelhofs in das Stadtgefüge gelingt, wenn die Verwaltung tatsächlich auf Straßen verzichtet, die quer durch das Gebiet führen. Auch Architekturprofessor Matthias Sauerbruch lässt kein gutes Haar an der bisherigen Planung, die ihm zu wenig innovativ und radikal ist.

Das ficht Junge-Reyer nicht an. Sie will eine Entwicklung der sorgfältigen Schritte und das heißt für sie: „Zunächst wird die Freifläche geöffnet.“ Also: Skaten und Spazierengehen auf den Landebahnen. Ein kleiner Schritt, der aber psychologisch wichtig sein könnte. Wenn die Berliner erst die gesamte Größe des Geländes erlebten, dann, so die Hoffnung, keime die Erkenntnis: Hier entsteht die Tempelhofer Freiheit.

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