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Mini-E

© Jörg Zeipelt

Pilotprojekt: 50 Elektro-Flitzer in Berlin unterwegs

Seit Montag fahren 50 "Minis" mit reinem Elektroantrieb durch die Hauptstadt. Ein Vorteil könnte auch Gefahrenquelle sein: Sie sind fast lautlos - aber trotzdem schnell.

"Der liegt auf der Straße wie ein Go-Kart." Frank Behrendt fährt seinen Mini-E aus dem "Meilenwerk", einer Domäne für Berliner Autoliebhaber an der Wiebestraße. Und tatsächlich zischt das Auto so zügig davon, dass die umstehenden Reporter davon ausgehen, dass es gleich zu einem Unfall kommen muss. Sie vernehmen nichts außer dem knirschenden und wegspritzenden Sand unter den Reifen und einem fast nicht hörbaren Summen. Der Professor für Energieverfahrenstechnik ist der erste, der als Privatperson eines der 50 Elektro-Mobile sein Eigen nennt - zumindest für sechs Monate. Danach muss er es erstmal wieder abgeben.

Am Montag ist in Berlin das bisher größte Elektro-Auto-Projekt in Deutschland gestartet. Bei dem Test, einer Kooperation zwischen Vattenfall und BMW, soll herausgefunden werden, wie die E-Karossen im Alltag verwendet werden, wie gut ihr Akku durchhält. RWE wird im Juli, auch in Berlin, mit einem eigenen Projekt nachziehen. 38 Stationen des Essener Stromriesen stehen schon im Stadtgebiet, nur die Smarts von Daimler fehlen noch.

Eine Akku-Ladung reicht im Schnitt für 170 Kilometer

Da das Öl zur Neige geht, sollen Elektromotoren in Zukunft Benzin- und Dieselmotoren als Autoantrieb ablösen. Das Problem: Die Batterie. Die in den Minis verwendeten Lithium-Ionen-Akkus gehören zwar zur Spitze, was Energiegehalt und Langlebigkeit angeht. Doch nimmt der Energiespeicher im Elektro-Prototypen die hintere Sitzreihe und einen Teil des Kofferraums in Beschlag und reicht trotzdem nur für durchschnittlich 170 Kilometer.

Danach muss der 200-PS-Bollide wieder ans Stromnetz - was dauern kann. Zwei Stunden, wenn der Akku nicht ganz leer ist und außerdem eine spezielle Station von Vattenfall verwendet wird. Bis zu zwölf Stunden an einer ganz normalen Steckdose. Das heißt, der Autofahrer muss sich umstellen. Für die meisten alltäglichen Wege reicht es, aber nicht unbedingt für die Fahrt in den Urlaub.

E-Autos können noch nicht allein Mobilität sichern

Kein Problem ist das für Ulrike Zeitler. Die Testfahrerin hätte sich zwar einen größeren Kofferraum gewünscht, aber am Tag fährt sie meistens nur 50 Kilometer. "Für weitere Strecken nehmen mein Mann und ich sowieso die Bahn", sagt sie. Die Überzeugungstäterin hat ihr altes Auto gleich abgeschafft. Anders Lutz Lehmann. Er fährt gern schnell und sportlich. Auch wenn der Mini seiner Meinung nach eher "ein Frauenauto" ist, freut er sich schon auf sein neues Spielzeug. Seinen Wagen mit Verbrennungsmotor wird er nicht abschaffen, "nach einem halben Jahr muss ich den Mini ja schon wieder abgeben."

Wahrscheinlich müssen dann auch die Ladestationen wieder abgebaut werden - zumindest wird eine Umrüstung fällig. Denn das Vattenfall-System ist vergleichsweise kompliziert. Der Nutzer braucht eine Identifikationskarte, die er an die Station hält. Daraufhin öffnet sich eine Klappe und er kann dann ein Kabel einstecken. Das stellt zunächst keine allzu große Hürde dar, die Ladestationen stehen zu Beginn des Pilotprojekts ausschließlich bei den Nutzern zu Hause. Stück für Stück sollen auch öffentliche Parkplätze mit den "Autostrom Stationen" ausgestattet werden.

RWE macht das schon heute einfacher. Der Stromanbieter hat sich erstmal um Kooperationspartner bemüht - und um eine Standardisierung des Aufladeverfahrens. Im Pilotprojekt von RWE wird der Informationsaustausch bereits direkt über das Kabel erfolgen - Bedienfehler, zum Beispiel durch Eingabe der falschen Stromstärke, sind damit ausgeschlossen. "Eine zusätzliche Identifikationskarte braucht der Autofahrer nicht", sagt Harald Fletcher, Sprecher von RWE.

Stromanbieter wollen auch Leistungsspitzen im Stromnetz dämpfen

Neben dem grünen Anstrich durch die Unterstützung von emissionsfreiem Individualverkehr geht es den Stromanbietern vor allem darum, eine Neuerung im Stromnetz zu testen: Angebotsabhängige Stromabnahme. Das heißt, der Kunde, der abends sein Fahrzeug an die Steckdose schließt, stellt per Internet oder bei RWE auch direkt im Auto ein, wann er vollgeladene Akkus braucht. Da die volle Ladung nur zwei bis drei Stunden benötigt, kann der Stromanbieter den Ladevorgang dann starten, wenn im Netz gerade besonders viel Strom zur Verfügung steht. Beispielsweise wird bei Windstille noch nicht geladen. Setzt Wind ein und fangen mehr Windräder an, Strom zu produzieren, löst der Stromanbieter per automatischer Fernsteuerung an mehr und mehr Ladestationen den Beginn des Ladevorgangs aus. Leistungsspitzen können durch die Elektroautos ausgeglichen werden. Elektroautos könnten damit der Anfang vom endgültigen Durchbruch erneuerbarer Energien werden, deren größtes Problem doch ihre Unstetigkeit ist. 

Jörg Zeipelt

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