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S-Bahn-Chaos: Wer Deutsch spricht, ist klar im Vorteil

Ein schwarzer Montag ist es nicht geworden: Doch am ersten Tage des verschärften Notfahrplans der S-Bahn bleiben viele Touristen im Gewirr von Bussen und Bahnen ratlos zurück - Ansagen und Schilder in anderen Sprachen gibt es kaum.

Mit Mühe und Not quetschen sich die Fahrgäste am Berliner S-Bahnhof Alexanderplatz in den bereits gut gefüllten Regionalexpress in Richtung Hauptbahnhof. Ein Mann schiebt sich in den kleinen Bereich zwischen der hintersten Sitzreihe und der Glastür zum Abteil, der eigentlich für das Gepäck gedacht ist - der vorhandene Platz will gut genutzt sein. Kurz nachdem sich die Türen geschlossen haben, werden einige Fahrgäste schon wieder unruhig. Wer am Hauptbahnhof aussteigen will, fängt am besten jetzt damit an.

Es ist der erste Tag des verschärften Notfahrplans der Berliner S-Bahn. Wegen der jüngst vom Eisenbahnbundesamt verordneten vorgezogenen Kontrollen aller Radsätze der S-Bahnen der Baureihe 481 steht für die nächsten zweieinhalb Wochen nur noch ein Drittel der Züge zur Verfügung. Zwischen den Haltestellen Zoologischer Garten und Ostbahnhof verkehren vorerst keine S-Bahnen mehr - stattdessen werden Regionalzüge eingesetzt.

Menschenschlangen vor Service-Points

Die Züge sind voll, vereinzelt ist genervtes Stöhnen zu vernehmen. Insgesamt ist die Stimmung unter den Fahrgästen aber gelassen - ein "schwarzer Montag", wie ihn der Fahrgastverband Igeb prognostiziert hat, ist es nicht geworden. Vor allem wohl, weil sich insbesondere die Pendler auf die Einschränkungen eingestellt haben.

Auf fragende Gesichter trifft man vor allem bei den Besuchern der Hauptstadt. "Als Tourist fühle ich mich schlecht informiert", sagt ein Gast aus Dänemark und blickt ratlos auf die Tafel vor dem abgesperrten Aufgang zur S-Bahn am Alexanderplatz. "Hier kein S-Bahn-Verkehr" steht dort geschrieben - und es wird auf Regionalzüge und Trambahnen verwiesen, auf die ausgewichen werden soll. "Wenn ich mich etwas länger damit beschäftige, sehe ich vielleicht etwas klarer - aber auf den ersten Blick ist für mich nicht ersichtlich, wie ich jetzt fahren muss", sagt der Tourist. Dabei hat er noch den Vorteil, dass er deutsch versteht - denn englische Ansagen und Schilder gibt es kaum.

Statt weiterhin mit seinem U- und S-Bahn-Plan zu ringen, könnte er sich auch in die Menschenschlange einreihen, die sich vor dem Service-Point der Bahn gebildet hat. "Dass es heute mehr Anfragen gibt als an normalen Tagen, kann man wohl sagen", sagt einer der Mitarbeiter dort. Etwa doppelt so viele, vermutet er. "Entspannt würde ich die Stimmung nicht nennen, aber es könnte schlimmer sein", fügt er hinzu.

Händler leiden unter Umsatzeinbrüchen

Auch die Bahn-Beamten am Hackeschen Markt, der zu den Stationen gehört, die vorerst nicht mehr angefahren werden, sprechen von einem "ordentlichen Verhalten" der hilfesuchenden Fahrgäste. Eine Handvoll Leute pro Stunde konsultieren die beiden Mitarbeiter in ihren orangefarbenen Signalwesten - 90 Prozent davon Touristen, wie sie sagen. "Die Berliner haben sich hingegen offenbar darauf eingestellt", heißt es.

"Darauf einstellen" müssen sich auch die Händler am Hackeschen Markt. Eine Angestellte einer Bäckerei spricht von rund 50 Prozent weniger Umsatz an diesem Tag. Eine Schließung des Ladens während dieser Zeit komme aber nicht in Frage, sagt sie. Eventuell müssten aber Dienstpläne und Lieferumfang der Ware angepasst werden. Ein Zeitungshändler nebenan registriert ebenfalls weniger Kundschaft, führt das aber nicht allein auf die Einschränkungen bei der S-Bahn zurück. «Es ist ja auch noch Ferienzeit - da kommen morgens eh weniger Leute", sagt er.

Mit der Ferienzeit erklärt sich auch ein Taxifahrer den Umstand, dass er trotz S-Bahn-Ausfällen kaum mehr Kunden hat als an normalen Tagen. "Zwei Fahrten zum Flughafen Berlin-Schönefeld hatte ich mit Leuten, die sonst mit der S-Bahn gefahren wären", sagt er. Seine Kollegin bestätigt das und stöhnt zudem über den dichteren Verkehr in der Stadt. "Ich hätte mir ein besseres Geschäft erwartet an einem solchen Tag - aber die meisten sind wohl mit dem eigenen Auto gefahren", sagt die 52-Jährige. "Und die Touristen fahren ja eher selten mit dem Taxi."

Jennifer Fraczek[ddp]

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