zum Hauptinhalt
249184_0_9e6d78f9.jpeg

© Ullstein/Peters

S-Bahn der BVG: Auf fremdem Gleis

Vor 25 Jahren übernahm die BVG den Betrieb der S-Bahn im Westteil der Stadt - viel erinnert nicht daran.

Am Schluss ging es ganz schnell. Die Reichsbahnerin auf dem S-Bahnhof Charlottenburg verschwand kurz nach 3 Uhr früh in ihrem Abfertigungsgebäude und ging nach wenigen Minuten in neuer Dienstkleidung als Mitarbeiterin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wieder an die Arbeit: Am 9. Januar 1984 hatte die BVG die Regie bei der S-Bahn von der Reichsbahn der DDR übernommen – allerdings nur mit zwei Stummelstrecken von Charlottenburg zur Friedrichstraße und vom Anhalter Bahnhof nach Lichtenrade. Schnell kamen aber weitere Abschnitte hinzu.

Die Alliierten hatten 1945 entschieden, dass die Reichsbahn für den Betrieb der Eisenbahn in der gesamten Stadt zuständig bleiben sollte. Dabei blieb es auch nach der Teilung und dem Mauerbau. Im Westen boykottierte man danach allerdings die S-Bahn, weil mit dem Kauf der Fahrkarten nicht „Ulbrichts Stacheldraht“ finanziert werden sollte.

So wurde die S-Bahn für die Reichsbahn der DDR im Westteil zu einer Last, während der Verkehr im Osten florierte. Im Westen dagegen verfielen die Anlagen. Die Züge fuhren meist nur noch alle 20 Minuten. 1980, als die Reichsbahn den Betrieb weiter einschränken und das Einkommen der Mitarbeiter senken wollte, streikten die Beschäftigten. Die Reichsbahn entließ daraufhin die meisten ihrer West-Berliner Mitarbeiter und legte auch die meisten Strecken still – unter anderem die Ringbahn und die Wannseebahn.

An die BVG-Zeit erinnert nicht mehr viel

Auch die Verkehrsplaner hatten die S-Bahn im Westen der Stadt längst aufgegeben. Auf der zum großen Teil parallel zum S-Bahn-Ring gebauten Stadtautobahn ließen sie sogar Busse der BVG als Ersatz für die maroden Züge einsetzen. Die Relikte der Haltestellen sind zum Teil heute noch vorhanden.

Erst unter dem damaligen Regierenden Bürgermeister Hans-Jochen Vogel (SPD) sah man für die S-Bahn wieder eine Zukunft und nahm Verhandlungen mit der DDR auf. Am 30. Dezember 1983 stand schließlich fest, dass die BVG den Betrieb der S-Bahn in West-Berlin übernehmen würde. Die Reichsbahn stellte am 9. Januar 1984 vereinbarungsgemäß den gesamten Betrieb ein.

Dass die BVG ihre S-Bahn-Zeit mit nur zwei Stummelstrecken begann, lag auch am Fahrzeugmangel und am fehlenden Personal. Anfangs mussten sogar Fahrer der Hamburger S-Bahn aushelfen. Die stillgelegten Strecken sollten vor der Wiederinbetriebnahme erst saniert werden. Das Konzept der „Schrumpfbahn“ stieß jedoch auf erheblichen Protest, so dass die BVG und der Senat Strecken schneller wieder in Betrieb nahmen als zunächst geplant. Bereits am 1. Mai 1984 verkehrten wieder S-Bahnen zwischen Charlottenburg und Wannsee sowie vom Anhalter Bahnhof bis Gesundbrunnen. Damit war auch der Nord-Süd-Tunnel wieder in Betrieb. Am 1. Oktober 1984 wurde die Strecke von Gesundbrunnen bis Frohnau wieder befahren, am 1. Februar 1985 folgte die Wannseebahn vom Anhalter Bahnhof nach Wannsee. Die S-Bahn hatte erneut Zukunft im Westen der Stadt.

Nach der Wiedervereinigung der Stadt übernahm 1994 die Deutsche Bahn AG den Betrieb der S-Bahn. An die BVG-Zeit erinnert nicht mehr viel. Sogar ein Teil der damals von der BVG beschafften hochmodernen Züge ist bereits verschrottet worden. Geblieben sind aber das von der BVG in den Fahrzeugen eingeführte Rauchverbot und der gemeinsame Fahrschein für Fahrten mit allen Bahnen und Bussen in der Stadt. 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false